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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Ihnen außerdem erzählen, dass ich einen Job hatte – einen echten Job, der mir zumindest gelegentlich half, meine Rechnungen zu bezahlen. Aber in der Zeit, von der gerade die Rede war, leistete ich mir einen ausgedehnten Urlaub: nicht ganz freiwillig und nicht ohne die dazugehörigen Probleme hinsichtlich Liquidität, professioneller Glaubwürdigkeit und persönlichem Selbstwertgefühl. Jedenfalls sorgte es bei Pen für ein egoistisches Interesse, mir alternative Jobs zu beschaffen. Da sie noch immer eine gute Katholikin war (wenn sie nicht gerade als Wicca-Priesterin in Erscheinung trat), besuchte sie jeden Sonntag die heilige Messe, zündete für die Heilige Muttergottes eine Kerze an und betete gewöhnlich folgendermaßen: »Bitte, Madonna, in deiner Weisheit und deiner Gnade, lege Fürsprache für meine Mutter ein, obgleich sie mit der Last zahlreicher fleischlicher Sünden auf ihrer Seele gestorben ist; lass die notleidenden Nationen der Erde endlich einen Weg zu Frieden und Freiheit finden und mach Castor endlich liquide, amen!«
    Aber üblicherweise beließ sie es dabei, woraus sich eine Situation ergab, mit der wir beide leben konnten. Daher war es eine unangenehme Überraschung, als sie aufhörte, auf göttliche Hilfe zu zählen, und mir von der Agentur für Kindergeburtstage berichtete, die sie mit ihrer spinnerten Freundin Leona gründen wolle – und von dem schleimigen Mistkerl von einem Straßenzauberer, der sie in letzter Minute im Stich gelassen hatte.
    »Aber du könntest das so leicht schaffen, Fix«, lockte sie bei einer mit Cognac getauften Tasse Kaffee in ihrem unterirdischen Wohnzimmer. Der Geruch machte mich benommen; nicht der Wohlgeruch des Alkohols, sondern der Geruch von Ratten, Erde, Rindenmulch, Exkrementen und Mrs-Amelia-Underwood-Rosen, von Dingen, die wuchsen und vermoderten. Einer ihrer beiden Raben – wahrscheinlich Arthur – hackte mit seinem Schnabel auf dem obersten Brett des Bücherschranks herum und machte es mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Dies war ihre Höhle, ihr Gravitationszentrum: das Penthouse unter der dreistöckigen Monstrosität, in der ihre Großmutter in den Tagen gelebt hatte und gestorben war, als noch Mammutherden über die Erde zogen. Hier hatte sie mich in einer unterlegenen Position, weshalb sie mich in erster Linie hergebeten hatte.
    »Du kannst zaubern«, stellte Pen lächelnd fest, »also dürfte vorgetäuschte Zauberei doch ein Kinderspiel sein.«
    Ich blinzelte ein paarmal, um klar sehen zu können. Kerzen blendeten mich, und mir war vom Weihrauch schwummrig. In vieler Hinsicht erinnerte mich die Art und Weise, wie Pen lebte, an Miss Haversham in Große Erwartungen : Sie benutzte nur den Keller, sodass der Rest des Hauses abgesehen von meiner Einzimmerwohnung unterm Dach in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts stehen geblieben war, niemals betreten und niemals renoviert. Pen selbst war ein gutes Stück später stehen geblieben, aber ebenso wie Miss Haversham trug sie ihr Herz auf dem Kaminsims. Ich bemühte mich immer, nicht hinzusehen.
    Bei dieser speziellen Gelegenheit nahm ich Zuflucht zu gerechter Empörung. »Ich kann nicht zaubern, weil es so etwas nicht gibt. Jedenfalls nicht so, wie du es meinst. Wie sehe ich denn aus? Nur weil ich mit den Toten reden – und für sie eine Melodie flöten – kann, bin ich noch lange kein verdammter Gandalf der Graue, und es heißt auch nicht, dass es in deinem Scheißgarten Elfen gibt.«
    Die unanständige Sprache war ein Trick mit der Absicht, die Unterhaltung in andere Bahnen zu lenken. Es funktionierte nicht. Ich gewann den Eindruck, Pen habe für dieses Gespräch ein Dialogbuch vorbereitet.
    »Was jetzt bewiesen ist, existierte einst nur in der Phantasie«, sagte sie spitz – weil sie wusste, dass Blake mein bester Freund war, und ihm konnte ich nicht widersprechen. »Gut«, fuhr sie fort und füllte meine Tasse mit einem halben Glas Janneau XO auf (es sollte ein Desaster für beide Seiten werden), »aber du hast den ganzen Bühnenzauber abgezogen, als wir auf dem College waren, nicht wahr? Du warst damals fabelhaft. Ich wette, du kannst das immer noch und musst noch nicht einmal üben, und es bringt zweihundert Pfund für einen Tag Arbeit. Dann könntest du mir ein wenig von dem Batzen vom letzten Monat abbezahlen, den du mir schuldest …«
    Es war einiges mehr an Überredung und sehr viel Cognac nötig – in der Tat so viel Cognac, dass ich auf meinem schwankenden Weg zur Tür versuchte,

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