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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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ist das, was man als »erfrischend« bezeichnen würde. Er redet, wie es ihm gerade passt, ohne sich einen Kopf darüber zu machen, ob die Leute ihn dann blöd finden oder oberflächlich oder niedlich oder harmlos oder was auch immer. Das ist durchaus beneidenswert.
    Ich zerbreche mir natürlich immer den Kopf darüber, was andere von mir denken. Am schlimmsten ist es, wenn die Leute etwas von mir glauben, was gar nicht stimmt, und ich überlege dann immer fieberhaft, wie ich sie vom Gegenteil überzeugen könnte.
    Das ist lästig. Sehr. Und während sich andere immer zu Neujahr vornehmen, nicht mehr zu rauchen, nicht mehr so viel Schokolade zu essen oder endlich mehr Sex zu haben, nehme ich mir jedes Mal aufs Neue vor, nicht mehr so sehr nach der Meinung anderer zu leben.
    »Du hast recht. Ich hätte auch gerne Spaß. Jetzt zum Beispiel.«
    Ohne ein Wort springt Rocco auf, packt mich an der Hand und zieht mich hinter sich her, die Straße runter, Richtung Wald. Wir rennen.
    Irgendwann lässt Rocco meine Hand los, aber wir rennen weiter, jeder für sich, immer eine Tempostufe zu schnell. Lange werde ich das nicht durchhalten. Rocco muss immer seine Hosen hochziehen, damit er nicht drüberstolpert.
    Ich spüre meine Lungen pumpen. Ein paar Stiche. Dann das wummernde Herz und schließlich die Beine, die zu Gummi werden. Mein Kopf fühlt sich an, als könne er jeden Moment explodieren. Ich habe absolut keine Kondition.
    Rocco geht als Erster zu Boden. Mit einem dumpfen Aufprall landet er im weichen Moos und färbt bei dieser Gelegenheit seine Jeans grün ein.
    Ich lasse mich einige Sekunden später mit einem Seufzer der Erleichterung neben ihn fallen.
    »Das nennst du Spaß?« Aber schon muss ich lachen, erst leise, dann pruste ich los.
    »Fühlst du das? Wie die Glückshormone durch dich durchjagen?« Rocco ist ganz stolz auf sich, so als hätte er die Glückshormone selbst erfunden, im Chemielabor hergestellt.
    Und es stimmt. Ich fühle sie. Sie jagen durch meinen Körper, von unten nach oben und wieder zurück, und entladen sich endlich im hysterischen Gekicher.
    Wow!
    »Manchmal besser als Drogen«, keucht Rocco und streckt alle viere von sich.
    Auch ich drehe mich auf den Rücken und betrachte den Himmel durch die Baumkronen hindurch, wie die Wolken vorbeiziehen, bis alles um mich herum sich zu verschieben scheint. Ich schließe die Augen. Kleine helle Punkte tanzen vor meinen Lidern. Manchmal mache ich mir Sorgen wegen dieser Punkte. Könnte doch ein Anzeichen für eine Krankheit sein. Vielleicht. Sobald ich es denke, ärgere ich mich darüber, aber ich kann nichts dagegen tun. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und öffne ein Auge, nur ganz leicht. Roccos Nasenflügel flattern lustig, während er wieder zu Atem kommt. Er fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Sie glänzen. Mir fällt zum ersten Mal auf, dass seine Ohren winzig klein sind.
    »Rocco?«
    »Hm?«
    »Wie möchtest du sterben?«
    »Gott! Was ist mit dir nur los!?« Rocco rümpft die Nase.
    »Aber du wirst doch sterben! Wir alle. Da kann man doch mal drüber nachdenken. Und wenn du dir aussuchen könntest wie …?«
    »Superheldenhaft natürlich! Während ich ein Kind aus einem brennenden Haus rette oder eine Katze. Kurz nachdem ich das Kind oder die Katze den Sanitätern übergebe, falle ich zu Boden, das Herz bleibt stehen. Ohne Schmerzen natürlich.« Er lässt diesen Superheldenfilm vor seinem inneren Auge ablaufen und grinst.
    »Und wie alt bist du da?«
    »Na, irgendwas mit gut über siebzig, fast achtzig, schätze ich mal.«
    »Das hört sich gut an.« Ich muss grinsen, richte mich wieder auf und pflücke einen Grashalm vom Boden, den ich mir cowboymäßig in den Mund stecke und daran rumkaue. Er schmeckt bitter.
    Rocco dreht sich herum und stützt seinen Kopf in die Hände. »Und du? Rück schon raus mit der Sprache.«
    »Ich weiß nicht genau. Ich kann mich immer nicht entscheiden. Aber ich bin nicht älter als fünfzig.«
    »Fünfzig? Meine Mutter wird bald fünfzig und die ist voll gut in Schuss! Ein flotter Feger.«
    »Ja. Das ist es doch! Besser gut in Schuss, als so ’ne klapprige, verschrumpelte, nach komischem Puder riechende alte Schachtel. Nee. Ehrlich. So eine, die die Treppe in den zweiten Stock nicht mehr alleine schafft, stöhnt und schnauft, und die Nachbarn verdrehen die Augen, wenn sie ihr die Tomaten im Treppenhaus aufsammeln müssen, weil die Tüte ihr aus der Hand gefallen ist.«
    »Du hast schon eine mittelmäßige Macke.

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