Königin für eine Nacht?
1. KAPITEL
Nikos Angelaki stand am Rande des Ballsaales und ließ seinen gelangweilten Blick über die annähernd fünfhundert Gäste schweifen, die im Schein der prächtigen Kristalllüster tanzten oder am perlenden Champagner nippten.
Die Männer trugen Uniform und Smoking, während sich die Frauen in exklusiven Designerroben zur Schau stellten und mit schillernden, kostbaren Juwelen geschmückt wie bunte Schmetterlinge über die Tanzfläche schwirrten.
Betont lässig schob er den Ärmel des Dinnerjacketts hoch, schaute auf seine Rolex und durchquerte den Saal mit geschmeidigem Raubtiergang, sich der neugierigen Blicke, die ihm folgten, durchaus bewusst. Mit zweiunddreißig Jahren war er längst an die Aufmerksamkeit gewöhnt, die man ihm aufgrund der äußeren Attribute und seines ungeheuren Reichtums zollte.
Eine attraktive Blondine im provozierend knappen Mini erregte so weit sein Interesse, dass er ihr einen kurzen taxierenden Blick gönnte, bevor er in das Foyer hinaustrat.
Es war das erste Mal, dass er bei einem Ball im Königshaus anwesend war oder überhaupt den Palast von Aristo besuchte. Von der eleganten Ausstattung der riesigen Räume war er ebenso beeindruckt wie von den unbezahlbaren Meisterwerken berühmter Künstler aus den verschiedensten Epochen, die an mit Seide bespannten Wänden hingen.
Die herrschende Königsfamilie Karedes gehörte zu den reichsten Europas, und auf der Gästeliste fanden sich Vertreter des Hochadels neben Staatsoberhäuptern und anderen wichtigen Würdenträgern, die alle keine Ahnung davon hatten, dass der Ehrengast des Prinzregenten seine Kindheit in den Slums von Athen verbracht hatte.
Mit zynischem Lächeln fragte sich Nikos, ob der steifnackige Butler ihn ebenso ehrerbietig in den offiziellen Salon geführt hätte, um Prinz Sebastian zu begrüßen, wenn er ahnte, dass seine Mutter einst als Küchenmädchen in diesem Palast angestellt gewesen war. Davon wusste nicht einmal Sebastian etwas, trotz der engen Freundschaft, die sich zwischen ihnen entwickelt hatte.
Mit langen Schritten durchquerte Nikos die Eingangshalle und stieß versuchsweise eine Tür auf. Dahinter befand sich eine Art Servier- und Abstellraum. Er war leer, bis auf eine Kellnerin, die am anderen Ende des Raumes gegen einen Tisch gelehnt stand und mechanisch weiße Servietten faltete.
Da sein Flieger mit Verspätung gelandet war, hatte Nikos das große Festbuffet leider verpasst. Der Anblick der noch reichlich gefüllten Platten mit köstlich aussehenden Kanapees brachte seinen Magen zum Knurren.
Erst die Pflicht, dann das Vergnügen, ermahnte er sich. Hier in Aristo war es bereits Abend, aber an Amerikas Ostküste erst früher Nachmittag, und Nikos hatte für diese Zeit ein Telefonat mit einem seiner Klienten in New York vereinbart.
Langsam schlenderte er auf die junge Kellnerin zu, die sich seiner Anwesenheit offensichtlich nicht bewusst war. „Können Sie mir einen Ort nennen, an dem ich ungestört bin? Ich muss einen dringenden Geschäftsanruf machen.“
Beim Klang der tiefen, etwas rauen Stimme stellten sich automatisch Kittys Nackenhärchen auf. Und als sie den Kopf wandte, setzte auch noch ihr Herz einen Schlag aus. Wie betäubt starrte sie den Mann an, der den Raum unbemerkt betreten hatte. Sie hatte ihn sofort wahrgenommen, als er im Ballsaal erschien – Nikos Angelaki, millionenschwerer Reeder, notorischer Playboy und einer der engsten Vertrauten ihres Bruders.
Sebastian hatte der Familie erklärt, er habe Nikos in geschäftlicher Funktion in Griechenland kennengelernt. Wie sich schnell herausstellte, teilten beide Männer eine ausgesprochene Vorliebe fürs Glücksspiel, wie Poker und Roulette, und für elegante Nachtclubs in Aristo und Athen.
Fotos von Nikos Angelaki waren Kitty schon vorher in sämtlichen Hochglanzmagazinen begegnet, doch die wurden seiner charismatischen Ausstrahlung in keinster Weise gerecht, wie sie jetzt feststellen musste, da sie ihm live gegenüberstand. Sein Sex-Appeal stand dem weltmännischen Auftreten in nichts nach. Größer, als man von den Fotos her hätte vermuten können, war er. Und er hatte lange Beine und einen muskulösen, geradezu athletischen Körperbau.
Doch was ihre Aufmerksamkeit in erster Linie weckte, war das klassisch geschnittene Gesicht. Gut aussehend wäre keine adäquate Bezeichnung gewesen für die Perfektion der markanten Wangenknochen, des festen Kinns, der dunklen Brauen über den fast schwarzen Augen und des großzügig
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