Feuer der Leidenschaft
Affären geredet. Das Wissen davon mußte auf eine Frau von Helens seelischer Konstitution eine verheerende Wirkung gehabt haben. Zur Zeit ihres Todes ging das Gerücht, daß Anthony Heien satt gehabt und seine augenblickliche Mätresse habe heiraten wollen. Er ist ja schon immer ein selbstsüchtiger Teufel gewesen.«
Bowden beugte sich vor und blickte Kenneth mit brennenden Augen an.
»Ich glaube, daß er Heien entweder selbst ermordet oder sie so unglücklich gemacht hat, daß sie sich selbst das Leben nahm. Dann wäre er für ihren Tod genauso verantwortlich, als hätte er sie selbst umgebracht.«
Wenn jemand eine Frau in den Tod trieb, mochte das zwar, vom moralischen Standpunkt aus betrachtet, genauso schwer wiegen wie ein Mord, aber das Gesetz würde hier einen anderen Standpunkt vertreten. »Ihr wollt das Schlimmste von Eurem Bruder annehmen, obwohl jeder andere Lady Seatons Tod für einen Unfall hielt«, sagte Kenneth grob.
»Vielleicht war er das auch.«
»Gesunde Frauen wandern nicht über den Rand eines Steilufers, wenn das Wetter schön ist und sie die Gegend so gut kennen wie ihre Schürzentasche«, schnaubte Bowden.
»Der >Bow Street Runner<, den ich engagiert habe, fand zumindest heraus, daß nach ihrem Sturz Kampfspuren am Rand der Klippe entdeckt worden waren. Da jedoch mein Bruder über jeden Verdacht >er-haben< war, kam es damals niemand in den Sinn, ihn des Mordes zu beschuldigen.«
Das war eine böse Geschichte. Aber wenn Bowden verrückt war, war es ein eiskalter und sehr beherrschter Wahnsinn.
»Vielleicht habt Ihr recht und Seaton hat tatsächlich seine Frau ermordet«, sagte Kenneth bedächtig. »Doch wenn ich die Umstände ihres Todes bedenke, könnte Euch selbst die sorgfältigste Ermittlung der Welt möglicherweise keinen schlüssigen Beweis für den wahren Tathergang liefern.«
»Ich verstehe«, erwiderte Bowden, und seine Augen wurden stumpf wie Schiefer. »Aber ich werde nicht eher Ruhe geben, bis diese Umstände auf das gründlichste untersucht worden sind. Ich habe Euch dazu bestimmt, diese Ermittlungen zu führen, weil ich glaube, daß Ihr die besten Chancen habt, diese Aufgabe auch erfolgreich zu erledigen. Wenn Ihr mir Euer Wort als Offizier und Gentleman geben wollt, daß ihr alles daran setzen werdet, die Umstände von Helens Tod aufzuklären, werde ich Euch, sobald Ihr Eure Untersuchungen abgeschlossen habt, die Schulden erlassen, die auf Eurem Besitz liegen. Und wenn Ihr mir einen schlüssigen Beweis für Anthonys Täterschaft liefert, bekommt Ihr sogar noch einen Bonus von fünftausend Pfund, der Euch helfen wird, Euren Besitz wieder in einen profitablen Zustand zu versetzen.«
Das war ein unglaubliches Angebot. Geradezu märchenhaft.
Kenneth stellte sein leeres Brandyglas auf den Tisch zurück, stand auf-und wanderte ruhelos in der Bibliothek auf und ab.
Bowdens Vorschlag war verrückt und grenzte an Illegalität.
Wenn Kenneth auch nur eine Spur von Vernunft besaß, würde er Bowden jetzt die Tür weisen. Doch die Vernunft war bisher noch nie die Richtschnur seines Handelns gewesen.
Wenn er den Vorschlag annahm, würde das die Rettung von Sutterton bedeuten. Beth konnte dann das Leben führen, das sie verdiente, eine Saison in London verbringen und eine Mitgift erhalten, wenn sie sich zu verheiraten wünschte. Der Besitz würde wieder Gewinne abwerfen, und die Diener und Landarbeiter konnten nach j ahrelangen Entbehrungen wieder gerecht entlohnt und versorgt werden.
Was ihn selbst betraf…
Er blieb am Kamin stehen und ließ langsam die Handfläche über das prächtige Schnitzwerk des Kaminsims hingleiten.
Als Kind hatte er sich Geschichten zu den Figuren und Fabelwesen ausgedacht, die dort abgebildet waren.
Sutterton würde seinem Leben wieder einen Sinn geben. In verschlammten Biwaks und in der sengenden Hitze Spaniens, vor Schlachten und in schneidend kalten Wiriternächten, hatte er davon geträumt, was er aus Sutterton machen würde, wenn der Besitz eines Tages ihm gehörte. Er hatte genaue Pläne dafür ausgearbeitet, wie er die zugigen alten Gebäude modernisieren würde, ohne ihren Tudor-Charakter zu zerstören. Wenn er Bowdens Vorschlag annahm, würde er seine Träume eines Tages verwirklichen können.
Und wer würde darunter leiden müssen? Falls Sir Anthony tatsächlich für den Tod seiner Frau verantwortlich war, verdiente er es natürlich, dafür bestraft zu werden, selbst wenn er der größte Maler Englands war. Sollte sich jedoch
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