Feuer fuer den Grossen Drachen
Hinterzimmer, zwischen Kaffeegeschirr und verstreuten Papieren, fand er jemand, der – Gestank und leere Flaschen sagten es – viel gesoffen haben mußte und nun den Rausch ausschlief: Hans-Joachim Glueck, Happy.
Ohne sich auch nur eine Sekunde zu besinnen, begann Niyazi zu handeln, und als Happy voll begriffen hatte, was da mit ihm geschah, war er schon mit mehreren elektrischen Kabeln sowie einigen Kordeln und schnell herausgerissenen Gürteln gefesselt. Er sabberte und wimmerte vor sich hin.
Während Niyazi sich aus Osmans Beständen neu einkleidete, prüfte er schon, ob das Telefon noch funktionierte. Ja.
Mannhardts Nummer hatte er parat («Hier… Sie können mich jederzeit vom Knast aus anrufen…»), und die Verbindung zur Bastion Erkelenzdamm kam dann auch sogleich zustande.
«Hallo, Meister, hier Niyazi Turan. Warum stellt ihr uns Türken nicht als Polizisten ein? Wir kennen alle, wir finden alles… Ich habe hier einen Doppelmörder. Er wird gleich ein Geständnis ablegen. Moment!»
Niyazi hielt mit der einen Hand die Muschel zu, mit der anderen drückte er Happy die Klinge seines Messers gegen die Kehle. «Sagst du es jetzt, kannst du im Knast weiterleben – sagst du es nicht, bist du auf der Stelle ein toter Mann!»
Und so würgte Happy alles heraus: «Ja, ich habe Meyerhoff umgebracht! Ich wollte mehr Geld. Und Theo hat es gesehen; Theo, der hat mich aber nicht gleich angezeigt, weil er mir noch ‘ne Chance geben wollte. Dann war ich mit den Türken bei der Neuen Chance, der Einbruch da, der Racheakt, und da kam Theo dann dazwischen. Viele hatten ‘n Messer bei, und da hab ich eben zugestoßen…»
Niyazi riß ihm den Hörer wieder weg und sagte Mannhardt noch, wo Happy steckte.
Keine Minute später war er wieder draußen und nahm das letzte Stück seines Weges in Angriff.
Gut sah er aus, ganz anders als vorher.
An seinem linken Handgelenk war jener Schlüssel festgeklebt, auf den Kochale seit gestern mittag wartete, und Niyazi hatte, wie ein Slalomläufer vor dem Start, ganz genau vor Augen, was nun zu tun war: Durch ein schmales Kellerfenster in das alte Fabrikgebäude eindringen, in die erste Etage hinaufsteigen, vom Büro der ehemaligen Arbeitsvorbereitung aus den Schlüssel durch die Rohrpostanlage zu Kochale hinunterrutschen lassen.
An sich nicht schwer, doch Niyazi wußte, daß Muhat nicht ohne Grund zu Kochales Bewachung wie zum Schutz der ganzen K-Y-Zentrale eingeteilt worden war.
M ANNHARDTS LETZTER E INSATZ IN DER
S ONDERKOMMISSION SO 36.
«Gehen wir nun, oder gehen wir nicht?» Koch, nach Kunzes vorläufiger Rücknahme in den Innendienst wieder mit Mannhardt gekoppelt, mühte sich um die Funktionsbereitschaft seiner Dienstwaffe. Unterweisung Einführung des Magazins: Mit der linken Hand das Magazin in das Griffstück einsetzen und mit dem Handballen nach oben schieben, bis der Magazinhalter hörbar einrastet. Was er auch tat.
Mannhardt hatte sich Niyazis Angaben auf den Rändern der Seiten 122ff einer alten Spiegel-Nummer notiert. Lassen Sie die Reparaturkosten doch direkt von der Versicherung bezahlen… Liebes Irland, ich komme… Colt macht Unternehmen Luft… Kanada – die Freiheit ist noch nicht ausverkauft… Er begann, Koch mit überzogener, salbungsvoller Stimme Botschaft für Botschaft zu verlesen.
«Spinnst du?»
«Nee, aber die Sterbeforscher sagen nun mal, daß man vorher immer wunderschöne Visionen haben soll: ‹Bastos – die ganze Würze des Südens›.»
«Du hast sie ja nicht mehr alle!»
«Porsche hat auch sonntags geöffnet!»
«Wenn wir diesen Happy nicht abholen, ist doch die Kacke wieder am Dampfen!»
Mannhardt schmiß den Spiegel in den Papierkorb. «Mein Vater mußte mal ‘n Verwundeten reinholen, draußen vor der eigenen Stellung… Jetzt weiß ich, wie ihm zumute gewesen sein muß.»
«Das sind gerade mal zwei Straßenecken…»
«Ich soll jetzt meinen Kopf hinhalten, was? Bei dem bißchen Geld, was ich dafür kriege. Wir fahrn vielleicht in die Grube, und die hohen Herren sitzen heute abend wieder vor ‘n Fernsehkameras und labern sich da einen ab: Wie ist wohl das Dynamit auf die linke Spielwiese gekommen?»
Ausfall aus dem Polizeifort Erkelenzdamm – schließlich wagten sie ihn doch, getrieben von ihrem restpreußischen – Pflichtbewußtsein wie der Hoffnung, im Herzen des Hurrikans die größte Stille vorzufinden.
Für die Oranienstraße allerdings war dies ein Irrtum; in Richtung Görlitzer Bahnhof war sie
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