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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Reduktion der Weltkomplexität, die für unser Überleben notwendig sei: «Glück ist gelungenes Verdrängen und Vergessen. »
    Ein dritter, Auswendiglerner von Stanislaw Jerzy Lee, bewies Esprit: «Die metaphysische Tragik des Seins verpflichtet nicht in der täglichen Praxis.» Also demnach weiterforschen?
    Hanna fand dies alles unerträglich; sie floh auf die Toilette, das letzte Refugium nutzend, das neuzeitlichen Menschen noch geblieben ist, den Platz auf der Brille. Dann, vor dem Spiegel, besah sie sich ihre Brandblasen; ein wenig Salbe war wieder aufzutragen. Noch immer rochen die Haare, schienen jedenfalls versengt zu riechen, erinnerten sie an ihre Verwandten im Ammerland: Wenn man Gänse rupfte und sengte, dann hing dieser Geruch noch tagelang im Haus.
    Sie ging ins Treppenhaus und riß das Fenster auf. Tief unten der Theodor-Heuss-Platz. War der ersehnte Stillstand anders zu erreichen als durch einen Sprung hinunter, kopfüber, um diese paar hundert Gramm Gehirn, die an allem schuld waren, zu vernichten?
    Q-Müller kam aus dem Fahrstuhl, hektisch, sie erschlagend wie ein plötzlich voll aufgedrehter Lautsprecher:
    «Ich hab ‘ne Wohnung für die Önals; Charlottenburg, Pestalozzistraße, gekoppelt mit ‘ner Hauswartstelle. Der Vormieter ist schon draußen. Muß zwar noch renoviert werden, die Möbel können aber heute schon rein. Gemieteter VW-Transporter steht unten, ich komm gleich mit: In Kreuzberg ist es fünf Minuten vor zwölf; Vulkanausbruch jederzeit möglich.»
    Er strahlte: Alles ist möglich, es muß nur organisiert werden!
    Offenbar erwartete er, daß Hanna ihn umarmen würde, so spontan, wie kordiale Linke es taten oder wenigstens mit der kühlen Kalkulation gelernter Mimen. Doch nichts geschah. Sie kam nicht nur aus Jever; sie ahnte auch, daß es bei ihm mehr Imponiergehabe war, Darbietung sozialer Potenz, als reine Nächstenliebe. Und sicherlich gab es einen kleinen Artikel in der BZ: FU-Professor hilft abgebrannten Türken … Bei einem erneuten Umschwung hier – und möglich war alles – hatte er durchaus ernsthafte Chancen, auf den Stuhl des neugeschaffenen Ausländersenators zu gelangen. Und die Frau an seiner Seite – könntest du das sein?
    Sie wußte es nicht. Sie hatte nur den einen Wunsch: abschalten, völlig abschalten. Nach Hause, Valium schlucken und dann ins Bett.
    Doch Q-Müller war wie eine starke Strömung, ein Strudel; er riß sie mit. Noch schnell ins Büro – ein paar Unterschriften. An Herbert vorbei, der – das Sammeln und Auswerten projektbezogener Artikel war Teil seines Jobs – vor Zeitungsbergen saß.
    «Was Neues?»
    «Scheint nicht so.»
    «Und in den Nachrichten?»
    «Wie gehabt: Kochale und Niyazi weiterhin verschwunden, Belagerungszustand im Ausländerknast.»
    Hanna hatte die Szene vor Augen, als wäre sie per Holographie in ihr Büro übertragen worden. Pausenlose Verhandlungen zwischen Ismail und seinen Leuten und dem Anstaltsleiter, dem ausgesuchte Hilfskräfte zur Seite standen. Ein totales Patt. Mit den beiden Geiseln konnten die Türken sowohl ihre Versorgung erzwingen, als auch einen Sturmangriff verhindern – mehr auch nicht. Hock war tot, und die deutschen Behörden konnten ihnen weder allgemeine Straffreiheit noch die Rückverlegung in die alten Anstalten zusichern. Den letzten Rundfunkmeldungen zufolge wurde Bünyamin allmählich zur zentralen Figur. Daß er Hock erstochen hatte, konnte als erwiesen gelten, und die deutschen Verhandlungsführer verlangten dementsprechend auch seine sofortige Auslieferung. Doch noch zeigten sich alle Türken solidarisch.
    «Aber wie lange noch?» Herbert war skeptisch. «Bünyamin und Ismail gegen eine Generalamnestie – das dürfte die Formel werden, bei Freilassung der beiden Geiseln natürlich. Und ansonsten bleibt alles beim alten. Die K-Y-Leute haben sich total verrechnet – mußte mal lesen: Der Ausländerknast bei uns gilt noch als der reinste Hotelvollzug gegenüber dem, was da in El Salvador, Uruguay oder Argentinien geschieht – siehe Amnesty International… Das ist doch ‘n Schuß in ‘n Ofen; da muß schon ganz was anderes passieren, als daß sich die Welt drüber aufregt! Und wenn sie’s doch tut, dann passiert auch nichts weiter: Hauptsache, es stärkt die freie Welt in ihrer Verteidigungsbereitschaft…»
    Dann kam, womit Hanna seit Stunden gerechnet hatte: zwei mürrisch-bürgernahe Männer, ihre Legitimationslappen wie Fähnchen schwenkend («Sie sind doch die Verlobte von Kochale?»),

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