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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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dunklen Schatten von dem Panzer zurückgeworfen wurde, hatte einen seltsamen Klang.
    »Sie ist die Tochter des großen Bildhauers Lorenzo Ardale« – antwortete die Foscarina nach einem Augenblick des Zögerns. – »Sie ist eine meiner liebsten Freundinnen, und sie ist auch mein Gast. Sie treffen sie also bei mir nach dem Fest.«
    »Donna Andriana sprach mir gestern abend von ihr mit sehr viel Wärme, wie von einem Wunder. Sie sagte mir, daß ihr der Gedanke, die Ariadne auszugraben, gekommen sei, gerade als sie von Donatella Arvale die Arie ›Come mai puoi – Vedermi piangere‹ so göttlich schön habe singen hören. Wir werden also in Ihrem Hause, Perdita, eine göttliche Musik haben. Wie ich danach lechze! Dort unten in meiner Einsamkeit höre ich während langer Monate keine andere Musik als das Meer in seiner ganzen Furchtbarkeit.«
    Die Glocken von San Marco gaben das Zeichen des englischen Grußes; und das mächtige Dröhnen breitete sich in langen Wellen über den Spiegel des Wasserbeckens aus, zitterte in den Segelstangen der Schiffe, pflanzte sich weit, weit fort, der unendlichen Lagune zu. Von San Giorgio Maggiore, von San Giorgio dei Greci, von San Giorgio degli Schiavoni, von San Giovanni in Bragora, von San Moisé, von der Salute, von der Erlöserkirche, und nach und nach aus dem ganzen Bereich des Evangelisten, von den äußersten Türmen der Madonna Dell'Orto, von San Giobbe, von Sant'Andrea antworteten die ehernen Stimmen, vermischten sich zu einem einzigen gewaltigen Chor, breiteten über die stumme Vereinigung von Stein und Wasser eine einzige mächtige Kuppel aus unsichtbarem Metall, die in ihren Schwingungen das Funkeln der ersten Sterne zu zeugen schien. Eine unbegrenzte ideale Größe verliehen die heiligen Stimmen der Stadt des Schweigens in der Abendreinheit. Ausgehend von den Zinnen der Tempel, von den schroffen, dem Seewind geöffneten Zellen sprachen sie zu den bangenden Menschen die Sprache der unsterblichen Menge, die die Dunkelheit der tiefen Kirchenschiffe jetzt barg oder das flackernde Licht der Votivlampen geheimnisvoll bewegte; sie brachten den vom Tagewerk erschöpften Geistern die Botschaft der überirdischen Wesen, die ein Wunder verkündeten oder eine auf den Wänden geheimer Kapellen, in den Nischen der inneren Altäre dargestellte Welt versprachen. Und alle die Erscheinungen der trostspendenden Schönheit, von dem einstimmigen Gebet heraufbeschworen, erhoben sich auf diesem gewaltigen, klingenden Brausen, sprachen in diesem schwebenden Chor, bestrahlten das Angesicht der Zaubernacht.
    »Können Sie noch beten?« – fragte leise Stelio und blickte auf die gesenkten und unbeweglichen Lider der Frau, die, die Hände auf den Knien gefaltet, ihr ganzes Wesen nach innen gewandt, dasaß.
    Sie antwortete nicht, ja, ihre Lippen preßten sich noch fester aufeinander. Und beide hörten auf den Klangwirbel, sie fühlten die Bangigkeit und die Gefahr von neuem einsetzen, wie der nicht mehr vom Katarakt unterbrochene Fluß seinen eiligen Lauf wieder aufnimmt. Beide hatten ein unklares und dennoch fast bedrückendes Bewußtsein von der seltsamen Unterbrechung, in der unerwartet zwischen ihnen ein neues Bild aufgetaucht und ein neuer Name ausgesprochen worden war. Das Gespenstige der plötzlichen Empfindung, als sie in den Schatten des befestigten Kriegsschiffes getreten waren, schien in ihnen etwas wie ein abgesondertes Hemmnis hinterlassen zu haben, wie ein unbestimmter und dennoch beharrlicher Punkt inmitten einer Art undurchdringlicher Leere. Die Bangigkeit und die Hochflut ihrer Gefühle ergriff sie plötzlich mit erneuter Heftigkeit; und sie zog sie zu einander und umstrickte sie mit solcher Gewalt, daß sie nicht wagten, einander in die Augen zu blicken, aus Furcht, einer allzu brutalen Begehrlichkeit zu begegnen.
    »Werden wir uns heute abend nach dem Fest nicht wiedersehen?« – fragte die Foscarina mit einem Beben in der erloschenen Stimme. – »Sind Sie nicht frei?«
    Es trieb sie jetzt, ihn festzuhalten, ihn gefangen zu nehmen, als wollte er ihr entfliehen, als hoffte sie in dieser Nacht einen Liebestrank zu finden, der ihn auf immer an sie fesseln sollte! Und während sie fühlte, daß die Hingabe ihres Leibes jetzt zur Notwendigkeit geworden war, erkannte sie mit abscheulicher Klarheit, durch die Flamme hindurch, die sie ergriffen hatte, die Armseligkeit dieser so lange verweigerten Gabe. Und schmerzhafte Scham, gemischt aus Furcht und Stolz, schien die verblühten

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