Feuer (German Edition)
plötzlich und wird lebendig. Du allein hast für sie die Macht gehabt, die Fackeln wieder zu entzünden. Begreifst du also ihre bange Erwartung? Und scheint es dir nicht, das; du nur für sie sprechen müßtest? Die Bedingung, die du selbst für den aufstelltest, der zu vielen spricht, kann erfüllt werden. Du kannst in ihren Seelen eine Bewegung erwecken, die sie auf immer den Idealen zuwendet und entgegenführt. Für wie viele von ihnen, Stelio, wird diese venetianische Nacht unvergeßlich bleiben!«
Stelio legte die Hand auf die vor der Zelt gekrümmten Schultern des mystischen Gelehrten und wiederholte lächelnd die Worte petrarkas: » Non ego loquar omnibus, sed tibi sed mihi et his ... «
Er sah innerlich die Augen seiner unbekannten Jünger erglänzen; und nun hörte er in seinem Innern mit vollkommener Klarheit, wie eine tonische Formel, den Ausdruck, mit dem er seine Nede einleiten würde.
»Einen Sturm in diesem Meere erregen« – fügte er, sich an piero Martello wendend, heiter hinzu – »wäre immerhin eine angenehmere Beschäftigung.«
Sie waren bei dem Eckpfeiler des Säulenganges angelangt, in enger Berührung mit der gleichgestimmten und geräuschvollen Menge, die sich auf der piazetta zusammendrängte, sich nach der Münze zu fortbewegte, vor den prokuratien verdichtete, den Uhrturm versperrte und alles überflutete wie eine formlose Woge, ihre Wärme dem Marmor der Säulen und der Wände mitteilend, gegen die sie in ihrem immerwährenden Fluten mit Macht andrängte. Von Zeit zu Zeit erhob sich in der Ferne am äußersten Ende des Platzes ein stärkeres Geräusch, das sich weiter fortpflanzte; und dann wieder fing es leise an, kam immer näher und stärker, bis es ganz in der Nähe wie ein Donner losbrach, und ein anderes Mal wurde es schwächer und schwächer, bis es ganz in der Nähe in einem Gemurmel verhallte. Die Bogen, die Loggien, die Spitzpfeiler, die goldenen Kuppeln der Basilika, die Attika der Logetta, die Architrave der Bibliothek erglänzten in zahllosen Flämmchen, und die Pyramide des ragenden Glockenturms, die mit den schweigsamen Gestirnen im Schöße der Nacht funkelte, wirkte auf die vom Geräusch trunkene Menge wie die Unendlichkeit des himmlischen Schweigens, beschwor das Bild eines Schiffers herauf, dem an der äußersten Lagune dieses Licht wie ein neuer Leuchtturm erschien, den Rhythmus eines einsamen Ruders, das auf dem schlafenden Wasser den Widerschein der Sterne bewegte, den heiligen Frieden, den dle Mauern eines Inselklosters umschlossen.
»Heute abend möchte ich mich mit der Frau, die ich begehre, zum erstenmal zusammenfinden, dort jenseits der Gärten, dem Lido zu, in einem schwimmenden Bett« – sagte der erotische Dichter Paris Eglano, ein blonder, bartloser Jüngling mit schönem purpurrotem lüsternem Munde, der einen Kontrast zu der fast ätherischen Zartheit seiner Züge bildete. – In einer Stunde wird Venedig irgendeinem unter dem Gondeldach verborgenen neronischen Liebhaber das dionysische Schauspiel einer Stadt gewähren, die sich im Delirium in Flammen setzt.«
Stelio lächelte, da er bemerkte, bis zu welchem Punkte seine Anhänger von seiner Wesenheit durchtränkt waren, und wie der Stempel seines Stiles sich ihren Intellekten aufgeprägt hatte. Das Bild der Foscarina leuchtete einen Augenblick vor seiner begehrlichen Seele, vergiftet durch die Kunst, wollüstigen Wissens voll, mit einem Zug von Reife und Verderbtheit um den beredten Mund, mit den fiebertrockenen Händen, die den Saft der trügerischen Früchte ausgepreßt hatten, mit den Spuren der hundert Masken auf dem Gesicht, das die Gewalt der tödlichen Leidenschaften geheuchelt hatte. So stellte er sie sich in seiner Begehrlichkeit vor; und sein Herz klopfte bei dem Gedanken, daß er sie in kurzem aus der Menge auftauchen sehen würde, wie aus dem Element, das ihr Untertan, und daß ihr Blick ihn in den notigen Rausch versetzen würde.
»Laßt uns gehen« – sagte er kurz entschlossen zu den Freunden. – »Es ist Zeit.«
Ein Kanonenschuß verkündete, daß die Königin das Schloß verlassen hatte. Eine große Bewegung ging durch die lebendige Masse, der ähnlich, die auf dem Meere dem Sturm vorangeht. Von der Riva San Giorgio Maggiore stieg mit lautem Zischen eine Rakete auf, erhob sich kerzengerade in die Luft wie ein Feuerstengel, warf eine donnernde Strahlenrose in die Höhe, neigte sich dann, teilte sich, zersplitterte in zitternden Funken, erlosch mit dumpfem Knall auf dem
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