Feueraugen III. Das Schloss
gesammelt. Andere suchen in den rauchenden Trümmern ihrer Häuser herum und wissen doch, dass es keinen Zweck mehr hat.
"Was werden sie jetzt machen?" erkundigt sich Zeramov, der seinen Notizblock gezückt und sich neben einen fassungslos vor sich hinstarrenden Mann gestellt hat. Sein wissbegieriger Blick verrät zumindest Baldwin, dass wenigstens einer seinen Nutzen aus dem zieht, was geschehen ist.
"Ach, wir wer'n wohl hier wegzieh'n!" gibt der Mann kaum hörbar zur Antwort. Sein rußgeschwärztes Gesicht mit dem versengten Vollbart drückt die ganze Erschütterung und Verzweiflung aus, die alle Dörfler fühlen. "Immer wieder das Gleiche. Wir sollten's langsam einseh'n, dass man hier nicht leben kann. Wenn die großen Stürme kommen, dann passiert was ... das war schon oft so. Schon uns're Vorfahren hätten wegzieh'n sollen, als 1847 und 1877 ihre Häuser brannten. Aber sie sind nicht fortgegangen. Wir werden's tun!"
Eine junge Frau neben ihm schluchzt in sich hinein. Zeramov hat zuvor bereits erfahren, dass sie ihr dreijähriges Kind in den Flammen verloren hat.
"Ich, ... ich jedenfalls hab' genug!" erklärt ein anderer Mann, der in der Nacht überall im Dorf dabei gewesen war. Durch seinen selbstlosen Einsatz sind viele gerettet worden. "Ich geh' nach Süden und bau' mir 'ne neue Existenz auf. Muss das hier erst vergessen, aber ich hau' auf jeden Fall ab." erklärt er mit Nachdruck.
"Ich auch!" fügt ein junger Mann an seiner Seite hinzu. Er hat ebenfalls bei den Hilfs- und Löschaktionen alles gewagt und dennoch zusehen müssen, wie alles verloren gegangen ist. "Schon in der alten Sage von der 'Höllenfeuernacht' heißt's doch, dass diese ganze Ebene verflucht ist. Kein Mensch kann hier glücklich werden. Ich bin nicht für solche Märchen zu haben, aber in dem Fall glaub' ich, was erzählt wird. Ich bin bedient. Ich geh' weg ... weit weg!"
Zeramov hat seinen Notizblock auf den Knien und notiert eifrig Stichpunkte. Er zeigt Mitgefühl und seine tröstenden Worte machen Eindruck auf die Dorfbewohner - seine Augen jedoch funkeln begeistert.
"Und sie, werter Herr Regisseur? Was werden sie machen?" erkundigt sich der Besitzer der Tankstelle, von der sozusagen nichts übrig geblieben ist, nachdem sie explodierte. "Ihren Kollegen haben sie ja in einem bedauernswerten Zustand zurückgefunden." sagt er noch und sieht in den Wagen des Mr. X hinein.
Dort liegt der einbandagierte Rodolphe und scheint zu schlafen. X hat ihn auf mehrere Decken gebettet und seine Brandwunden bestens versorgt. Gefahr besteht für den Kulissenfachmann jedenfalls keine mehr - wie X behauptet hat.
"Ach ja ...!" Baldwin seufzt. "Ich hätte ihn nicht alleine gehen lassen dürfen. Was gibt es denn auch auszukundschaften in dieser trostlosen Ebene. Die alte Sage hat sich heute als Naturereignis gezeigt ... jetzt kann man sich sehr gut vorstellen, wie sie entstanden ist. Grauenvoll ist nur, dass diese Sage uns mit allzu unabwendbarer Wirklichkeit konfrontiert hat!" Baldwin kommen die Tränen. Rodolphes Anblick ist ihm unerträglich und er macht sich unentwegt Vorwürfe. Gerade als sich Baldwin X zuwenden will, der auf seinem Kocher Kaffee zu brauen begonnen hat, hebt Rodolphe den Kopf. Ein verstörter Blick trifft Baldwin, dann folgt ein leises, irre klingendes Lachen.
"Rächer ... haha ... jetzt haben sie ihre Rache!" schreit er da aus sich heraus und im nächsten Moment sinkt sein Oberkörper, der sich wie in einem Krampf aufgebäumt hat, zurück auf die Deckenrolle, die ihm X als Kissen unter den Kopf gelegt hat.
"Wie der arme Gregor!" stellt einer der Dörfler fest. "Der ist dem großen Feuer auf dem Turgent Hof im Frühjahr 1943 mit knapper Not entkommen und blieb ziemlich verwirrt."
"Hoffen wir nicht, dass unser Rodolphe das gleiche Schicksal erleidet. Im Augenblick ist er krank. - Er wird schon wieder!" meint Marlène.
"Ah, ja ... das war ein Abenteuer!" murmelt der Signore vor sich hin. Er sitzt mit Ricci und Dr. Glücklich im Ford und starrt kopfschüttelnd vor sich hin.
"Ausgezogen um Material für die Verfilmung einer alten Sage zu sammeln und dann das ... dio ... schreckliches Erlebnis!" findet auch Ricci.
"Und mer hom noch a Masel g'hobt, liebe Freinde! Mit a bisserl a Pech hätt' mer können tot sein!" fügt der Doktor hinzu.
* * *
Der Morgen dämmert und Nebelschwaden ziehen über die rauchenden Trümmer des Dorfes Rahurst hinweg. Viele sind in den Flammen umgekommen. Nur wenige zweifeln
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