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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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aufs Ermitteln verzichten? Ruhen Sie sich aus, warten Sie ab, bis Ihr Körper die Narkose verarbeitet hat, dann geht's Ihnen wieder gut. Können Sie jemanden anrufen, der Sie abholt, oder sollen wir Sie in ein Taxi setzen?«
    »Ich habe gestern Abend darum gebeten, dass man einen Freund von mir unterrichtet«, sagte ich. »Aber ich weiß nicht, ob sich jemand drum gekümmert hat.« Außerdem wusste ich nicht, ob Morrell die Fahrt hierher schaffen würde. Er war im Sommer in Afghanistan angeschossen worden und befand sich noch in der Rekonvaleszenzzeit; ich wusste nicht, ob er es sich zutraute, fünfzig Kilometer mit dem Auto zu fahren. »Ich bring sie nach Hause.« Conrad Rawlings war in der Tür aufgetaucht. Ich fühlte mich zu matschig, um erstaunt, erfreut oder gar geschmeichelt zu sein ob seiner Anwesenheit. »Sergeant - oder nein, du bist befördert worden, stimmt's? Muss ich jetzt Lieutenant sagen? Stattest du allen Opfern vom Abend vorher einen Besuch ab?«
    »Nur denen, die nicht weiter als achtzig Kilometer vom Tatort entfernt waren und Alarm geschlagen haben.« Sein kantiges, kupferfarbenes Gesicht war ziemlich ausdruckslos, keine Spur von Sorge oder vom Zorn des einstigen Liebsten, der seinerzeit sehr wütend gewesen war, als er mich verließ. »Und, ja, ich bin befördert worden, bin jetzt Watch Commander im Revier an der rd, Ecke Oglesby. Du findest mich im Eingangsbereich, wenn die Frau Doktor hier dich für fit genug befindet, die South Side in die Luft zu jagen.«
    Die Ärztin unterzeichnete meine Entlassungspapiere, schrieb mir ein Rezept für Schmerzmittel und reichte mich an die Schwestern weiter. Eine Schwesternschülerin händigte mir die Überreste meiner Kleidung aus. Die Hose konnte ich noch anziehen, obwohl sie nach Rauch stank und mit Bestandteilen der Böschung durchsetzt war, aber mein Mantel, mein Sakko und die rosa Seidenbluse waren an den Schultern aufgeschlitzt worden. Sogar den BH-Träger hatten sie durchgeschnitten. Beim Anblick der Seidenbluse und des Sakkos hätte ich am liebsten losgeheult. Beides gehörte zu einem Lieblingsoutfit von mir, das ich gestern Morgen zu einer Präsentation bei einem Klienten in der City getragen hatte, bevor ich in die South Side fuhr. Die Schwesternschülerin nahm wenig Anteil an meiner Trauer, fand aber auch, dass ich schlecht halbnackt draußen rumlaufen konnte. Sie begab sich zur Stationsschwester, die irgendwo ein altes Sweatshirt für mich organisierte. Bis das alles geklärt war und wir einen Krankenpfleger aufgetrieben hatten, der mich im Rollstuhl in die Eingangshalle beförderte, war es fast neun.
    Conrad hatte es sich erlaubt, mit seinem Dienstwagen direkt vor dem Eingang zu parken, und war dann dort eingeschlafen, aber er wurde wach, als ich die Beifahrertür öffnete.
    »Uff. War 'ne lange Nacht, Ms. W.« Er rieb sich die Augen und startete den Wagen. »Wohnst du noch in der alten Bude oben an der Wrigley? Ich hab gehört, wie du einen Freund erwähnt hast bei der Ärztin.«
    »Ja.« Zu meinem Ärger klang ich ziemlich krächzend, und mein Mund fühlte sich trocken an.
    »Nicht dieser Ryerson, hoffe ich doch.«
    »Nein, nicht dieser Ryerson. Morrell. Schriftsteller. Ist im Sommer bei Recherchen in Afghanistan ziemlich zusammengeschossen worden.«
    Conrad gab eine Art Grunzen von sich, dem zu entnehmen war, dass zusammengeschossene Schreiberlinge ihn wenig beeindruckten; er war in Vietnam von einem Maschinengewehr unter Beschuss genommen worden.
    »Ich hab übrigens von deiner Schwester gehört, dass du auch nicht grade einen mönchischen Eid abgelegt hast.« Conrads Schwester Camilla und ich gehören beide dem Vorstand desselben Frauenhauses an.
    »Flotte Sprüche waren ja schon immer dein Ding, Ms. W. Einen mönchischen Eid. Nein, hab ich in der Tat keinen abgelegt.«
    Wir verfielen beide in Schweigen. Conrad steuerte seinen Dienstwagen, einen Buick, nach Jackson Park, wo wir uns in den dichten Verkehr einfädelten, den letzten Rest der Früh-Rush-hour, und durch die Baustellen Richtung Lake Shore Drive vorarbeiteten. Die matte Herbstsonne versuchte, durch die Wolkendecke zu brechen, und verbreitete ein fahles Licht, das mir in den Augen wehtat.
    »Du sagtest Tatort«, äußerte ich schließlich, um das Schweigen zu brechen. »War es Brandstiftung? War das Frank Zamar, den die Feuerwehrleute rausgetragen haben?« Conrad gab ein weiteres Grunzen von sich. »Das wissen wir erst, wenn der Gerichtsmediziner sich meldet, aber man kann wohl

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