Fever Pitch
eine Ecke schnell ausführen konnten; im Anschluß an besagte Ecke köpfte uns Macdonald, zum ersten Mal im Spiel von seinem in Ungnade gefallenen Bewacher befreit und deshalb völlig ungedeckt, siegbringend in Führung. Ich genoß auch Tony Cotons langen, einsamen Marsch 1986 in Highbury enorm – es hat etwas Besonderes an sich, Torhüter gehen zu sehen – und Massings mörderischen Anschlag auf Caniggia während des Eröffnungsspiels der Weltmeisterschaft 1990, gefolgt von seinem Winken in die Menge zum Abschied.
7. Irgendeinen »unangenehmen Zwischenfall« (auch »Albern heit«, » Dummheit« oder »Schande« genannt): Wir betreten hiermit ein moralisch fragwürdiges Gebiet – es ist klar, daß Spieler dafür Sorge tragen sollten, eine leicht reizbare Menge nicht zu provozieren. Eine kleine Schlägerei zwischen Coventry und Wimbledon an einem nassen Novembernachmittag vor den Augen einer abgestumpften Menge von zehntausend ist eine Sache, eine Rauferei zwischen Celtic- und Rangers-Spielern angesichts der kaum zu kontrollierenden KonfessionsVerbitterung auf den Rängen eine ganz andere. Und doch muß man – natürlich voller Bedauern und in angemessener Trauer – feststellen, daß nichts über eine Schlägerei geht, um ein ansonsten langweiliges Spiel zu beleben; die Nebenwirkungen sind immer von wohltätiger Art: Die Spieler und die Zuschauermenge engagieren sich mehr, die Handlung verdichtet sich, der Puls geht schneller. Und solange das Spiel nicht in einen bitteren Kleinkrieg ausartet, erscheinen mir Raufereien eine ziemlich wünschenswerte Besonderheit zu sein, so wie eine Dachterrasse oder ein offener Kamin. Wenn ich ein Sportjournalist oder ein Fußballfunktionär wäre, würde ich zweifellos meine Lippen schürzen, mißbilligende Töne von mir geben und darauf bestehen, daß die Missetäter der Gerechtigkeit zugeführt werden – Raufereien wären genauso wie weiche Drogen kein Vergnügen, wenn sie offiziell gebilligt würden. Aber zum Glück habe ich keine derartige Verantwortung: Ich bin ein Fan, der nicht verpflichtet ist, einer wie auch immer gearteten moralischen Linie treu zu sein.
Im Spiel zwischen Arsenal und Norwich Ende 1989 fielen sieben Tore, und Arsenal holte einen 0:2- und später einen 2:3Rückstand auf, um 4:3 zu gewinnen. Es gab zwei Elfmeter, einen in der letzten Minute beim Stande von 3:3 (die, nebenbei bemerkt, beide auf katastrophalen Fehlentscheidungen des Schiedsrichters beruhten) … und Norwichs Gunn parierte ihn, der Ball kam zurück zu Dixon, und dessen etwas verunglückter Nachschuß trudelte ganz sachte ins Netz. Und dann brach das totale Chaos aus, und mehr oder weniger jeder, abgesehen von Arsenals Torwart, war in ein handgreifliches Gemenge verwickelt, das ewig zu dauern schien, aber vermutlich nach ein paar Sekunden vorbei war. Es gab zwar keinen Platzverweis, aber was soll’s: Wie war es möglich, ein Spiel wie dieses nicht zu genießen?
Den zwei Mannschaften wurden empfindliche Strafen auferlegt, was natürlich nur richtig war. Schließlich konnte man in solchen Situationen vom Fußballverband kaum erwarten, daß er den Spielern einen Brief schrieb und sich dafür bedankte, daß sie den Fans boten, was diese wollten. Und angesichts von Arsenals späteren Problemen, von denen noch an anderer Stelle die Rede sein wird, hat der Kampf rückblickend auch etwas von seinem Glanz verloren. Aber es ist wieder diese Im-Mittelpunktder-Weltsein-Geschichte: Nach dem Spiel gingen wir in dem Wissen heim, daß das, was wir gesehen hatten, live, der bedeutsamste sportliche Augenblick des Nachmittags war, ein Augenblick, über den man wochenlang, monatelang sprechen würde, der in den Nachrichten kommen würde, über den dich bei der Arbeit am Montagmorgen jeder befragen würde. Also muß man letztlich feststellen, daß es ein Privileg war, dort zu sein, um zu sehen, wie all diese erwachsenen Männer sich vor den Augen von fünfunddreißigtausend Menschen lächerlich machten; ich möchte es nicht um alles in der Welt versäumt haben.
Saddam Hussein und Warren Barton
Arsenal gegen Everton – 19.1.91
Eine kaum bekannte Tatsache: Fußballfans wußten vor allen anderen, daß der Golfkrieg ausgebrochen war. Wir saßen kurz vor Mitternacht vor dem Fernseher und warteten auf die Höhepunkte des Spiels Chelsea gegen Tottenham im Rumbelows Cup, als Nick Owen auf seinen Monitor schaute, Kurznachrichten ankündigte und der Hoffnung Ausdruck verlieh, daß wir demnächst in die Stamford
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