Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
vorzustellen. Aber er wußte, daß die Fey zu so etwas fähig waren. Fledderer hatte einmal erwähnt, daß die Fey alle Städte als Unruheherde betrachteten, die man besser niederbrannte, wobei sie allerdings die Außenbezirke verschonten, in denen sich keine Männer zusammenrotten und Widerstand leisten konnten.
Die Fey wußten wirklich ziemlich wenig.
Vorsichtig ging Luke um die Heuballen herum. Sie rochen beißend scharf, und unter dem Heugeruch stank es nach Fäulnis. Der Geruch kitzelte Luke in der Nase und reizte ihn zum Niesen. Er preßte sich die Hand auf den Mund, um das Niesen zurückzuhalten, aber es war zwecklos. Es gelang Luke zwar, es mit der Hand zu dämpfen, aber das Geräusch schien in der stillen Nacht förmlich zu explodieren.
Luke duckte sich hinter den Heuballen. Nichts rührte sich. Im Haus blieb es dunkel und auf der nahe gelegenen Straße totenstill. Vielleicht hatte niemand ihn gehört.
Zischend stieß er den Atem aus. Wieder packte ihn der Niesreiz, und er entfernte sich hastig von dem Heuballen. Der starke Geruch war das Problem. Wenn Luke weit genug wegging, mußte er auch nicht mehr niesen.
In der Dunkelheit sah das Feld unermeßlich groß aus. Wie kleine Berge ragten die Ballen vor dem schwarzen Nachthimmel auf. Lukes Herz pochte heftig. Was sollte er sagen, wenn die Fey ihn entdeckten? Daß er das Heu seines Nachbarn stehlen wollte? Ihm die Ernte verderben? Daß er einfach nicht schlafen konnte?
Keine dieser Ausreden würden die Fey ihm abnehmen.
Er an ihrer Stelle übrigens auch nicht.
Er durfte sich eben nicht erwischen lassen.
Jetzt überquerte er einen kleinen Entwässerungsgraben, der das Land seines Nachbarn von dem Gehöft trennte, das die Fey beschlagnahmt hatten. Dessen Besitzer, Antoni, hatte eine Reihe kleiner Bäume als Grenze zwischen den Feldern gepflanzt. Inzwischen waren die Bäume buschig und viel größer als Luke. Er benutzte sie als Sichtschutz und achtete darauf, keine Zweige zu bewegen.
Luke hatte keine Ahnung, über welche Zauberkräfte diese Fey hier verfügten.
Er schlich an den Bäumen entlang, bis das Haus in Sichtweite kam. Hier brannte Licht, Feywachen standen links und rechts vor jeder Tür. Den verräterischen Erdring und die schwebenden Lichter, die auf ein geheimes Versteck der Fey hinwiesen – jenen Ort, den die Fey »Schattenland« nannten –, konnte Luke allerdings nirgends entdecken. Luke war erst ein einziges Mal in einem Schattenland gewesen. Es war, als stecke man in einer Kiste, die in der Luft schwebte. Im Inneren der Kiste war alles unveränderlich grau.
Sein Vater hatte jahrelang dort leben müssen.
Luke wollte nie mehr in einer solchen Kiste gefangen sein.
In jenem Schattenland hatte man damals Ort, den dritten Gefangenen, zu Tode gefoltert.
Luke schauderte. Er hielt sich im Schutz der Bäume und zwang sich nachzudenken.
Er kam darauf an, die Fey zu überraschen und ihr Selbstvertrauen nachhaltig zu erschüttern.
Weder er noch seine Freunde verfügten über Zauberkräfte. Außerdem durfte er nicht riskieren, daß einer von ihnen in Gefangenschaft geriet. Ein offener Angriff mußte fehlschlagen. Auf so etwas waren die Fey gefaßt.
Luke mußte listig vorgehen.
Er mußte sich zuerst umsehen.
Außer den Wachen und den anderen Fey im Haus waren keine weiteren zu sehen. Offenbar hatten sie ihre Truppen woanders zusammengezogen. Dieses Gehöft war nur ein Vorposten, eine Garnison, um die Bauern in Schach zu halten.
Das Haus war genauso anfällig für bestimmte Gefahren wie alle Bauernhäuser: Feuer, Überschwemmung, Seuchen. Es war durchaus möglich, die Fey zu töten. Aber dies alles mußte ohne einen direkten Angriff vollbracht werden.
Luke riß sich zusammen. Er mußte das Gelände genauer erkunden. Eine Kleinigkeit konnte ausreichen, um die Fey zu beunruhigen, vielleicht sogar wirkungsvoller als etwas Auffälliges.
Aber Luke mußte das Richtige finden. Einen Wachposten anzugreifen oder ihn zu entwaffnen war nichts Unvorhergesehenes. Es mußte etwas sein, das die Fey völlig verwirrte und ihnen klarmachte, daß der Angreifer die Art und Weise ihres Vorgehens begriffen hatte.
Ein perfekter Schlag.
Hier hinter den Bäumen würde Luke nichts Geeignetes finden.
Er schlich geduckt bis zum Rand der Brache. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so schutzlos gefühlt. Selbst die Dunkelheit schien hier weniger undurchdringlich. Luke konnte deutlich den Lehmboden, das Haus selbst mit seinen hell erleuchteten Fenstern und
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