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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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kritisieren, habe den Piloten jedoch um dieses Gespräch ersucht, da er dies für seine Pflicht halte. „Wehe den Geringen, die zwischen die Schwerter der Mächtigen geraten — so hat Shakespeare doch sinngemäß gesagt. Dieser Mächtigen sind hier drei: der HERMES, Norstralien und Heparien. Was wissen die Quintaner? Sie wissen, daß ihnen der Eindringling in Angriff und Abwehr überlegen ist und Schläge von hoher Zielgenauigkeit zu führen versteht. In wessen Interesse liegt angesichts dessen die Gesundheit des Abgesandten? Nehmen wir an, er büßt diese Gesundheit ein.
       Heparien wird Beweise für einen Unglücksfall vorlegen, Norstralien wird diese Beweise in Abrede stellen. Damit wird jede Seite den Vergeltungsschlag des HERMES so von sich abzuwenden suchen, daß er die Gegenseite trifft. Der Kommandant hat ihnen zwar die TAD — Total Assured Destruction — angekündigt, die Geschichte lehrt jedoch, daß das Jüngste Gericht kein gutes Instrument in der Politik ist. Eine Maschine des Jüngsten Tags, die „Doomsday Machine“, eine Kobaltsuperbombe zur Erpressung aller Staaten der Erde durch die Androhung des allgemeinen Untergangs, hatten sich einige Amerikaner im 20. Jahrhundert ausgedacht, aber niemand hatte sich dieser Idee angenommen, und das war sehr vernünftig, denn wenn keiner mehr etwas zu verlieren hat, wird jede reale Politik unmöglich. Die Apokalypse als Vergeltung hat nur geringe Glaubwürdigkeit. Weshalb sollte der HERMES gegen den ganzen Planeten losschlagen, nur weil sich in Heparien ein einzelner Kamikaze befindet, der einen Anschlag auf einen Abgesandten verübt?“
       Der Pilot fand die Argumente des Japaners überzeugend. Warum der Kommandant ihnen denn nicht gefolgt sei? Nakamura, immer noch höflich zu seinem Gast gebeugt, lächelte. „Weil wir keine unfehlbare Strategie haben. Der Kommandant will den Knoten nicht aufknüpfen, sondern durchhauen. Ich will mich über niemanden erheben, ich denke nur so, wie ich zu denken vermag. Über drei Rätsel denke ich nach. Das erste ist diese Gesandtschaft. Wird sie den „Kontakt“ herbeiführen? Nur symbolisch. Wenn der Abgesandte gesund zurückkehrt, wenn er die Quintaner gesehen und von ihnen erfahren hat, daß sich von ihnen nichts erfahren läßt, dann wird dies ein großer Erfolg sein. Das bringt dich zum Lachen, Pilot? Der Planet ist weniger zugänglich als der Mount Everest. Obwohl es auf diesem Berg aber nichts als Fels und Eis gibt, haben Hunderte von Menschen jahrelang ihr Leben gewagt, um wenigstens einen Augenblick dort oben zu stehen, und wer zweihundert Meter vor dem Gipfel umkehren mußte, hielt sich für besiegt, obwohl der Ort, den er erreicht hatte, keinen geringeren Wert besaß als der, nach dem alle für einige Minuten verlangten. Die Mentalität unserer Expedition gleicht bereits der jener Bergsteiger. Das ist ein Rätsel, mit dem die Menschen zur Welt kommen und von ihr gehen, also sind sie daran gewöhnt. Das zweite Rätsel ist für mich dein Schicksal, Pilot. Mögest du zurückkehren!
       Geschieht aber etwas Unvorhergesehenes, so wird Heparien beweisen, daß es weiß, Norstralien aber, daß es schwarz war. Dieser Gegensatz wird den Kommandanten aus der Rolle des Rächers in die des Untersuchungsrichters drängen. Die Drohung, die wirksam genug war, die Gesandtschaft zu erzwingen, wird im Leeren hängen. Das dritte Rätsel ist das größte. Es geht um die Unsichtharkeit der Quintaner. Der Anschlag wird vielleicht ausbleiben, doch unterliegt es keinem Zweifel, daß die Quintaner eine kategorische Abneigung dagegen haben, ihr Äußeres zu zeigen.“
       „Vielleicht sehen sie wie Ungeheuer aus?“ suchte der Pilot ihm einen Weg zu weisen.
       Nakamuras Lächeln blieb unverändert. „Hier gilt die Symmetrie. Wenn sie Ungeheuer für uns sind, so sind wir es auch für sie. Ich bitte um Vergebung, aber das ist die Vorstellung eines Kindes. Besäße der Tintenfisch ästhetisches Empfinden, so wäre die schönste Frau der Erde für ihn ein Scheusal. Der Schlüssel zu diesem Rätsel liegt außerhalb der Ästhetik.“
       „Wo denn?“ fragte der Pilot, der von dem Japaner inzwischen fasziniert war.
       „Wir haben gemeinsame Merkmale der Quintaner und der Erdenbewohner innerhalb einer technisch-militärischen Umhüllungskurve entdeckt. Diese Gemeinsamkeit führt an einen Scheideweg: Entweder ähneln sie uns — oder sie sind „Monster des Bösen“. Dieser Kreuzweg ist eine Fiktion. Keine Fiktion

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