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Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Titel: Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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hielt die Haustür weit auf. Während ich den Greis betrachtete, der sich mit der Rechten auf den Stock stützte, mit dem linken Arm ruderte, die Füße kaum heben konnte und dazu ächzte, versuchte ich mich an den anderen Matzbach zu erinnern, den ich damals getroffen hatte. Der hier war immer noch groß, aber gebeugt; der andere – sicher insgesamt 120 Kilo, verteilt auf 185 oder 190 Zentimeter – hatte wie eine gewaltige Quasselmasse gewirkt. Der hier schien immer noch quasseln zu können, aber die Masse hatte sich wohl in Falten und losen Klamotten aufgelöst.
    »Sie scheinen in den letzten Jahren irgendwann in einen Entsafter geraten zu sein«, sagte ich, als wir im Hausflur standen. Ich schloß die Tür hinter uns.
    »Ah bah. Wer braucht schon Saft? Aber Sie hatten was von Setzen gesagt.«
    »Kommen Sie, hier links in die Küche.«
    »Wollen Sie mich zubereiten?«
    »Nee, aber die Küche ist der einzige Raum des Hauses, in dem ich rauchen darf.«
    »Wer erlaubt Ihnen denn so was?«
    »Der Besitzer.«
    Matzbach ließ sich schnaufend auf den Küchenstuhl sacken, den ich ihm hinschob. »Erhellen Sie mich«, sagte er. »Gewährt Ihnen hier jemand Unterschlupf?«
    »Nee. Ich bin – wie sagt man das? Haussitter? Hüter der Herdflamme?«
    »Wenn Sie auch die Hähne hüten, schauen Sie doch mal nach, ob in dem da noch ein Tropfen Wasser steckt.«
    Ich deutete auf die Thermoskanne neben der Kaffeemaschine. »Einen Becher davon vielleicht? Milch? Zucker?«
    »Wenn Sie mich fragen, ja. Die Ärzte sehen das anders.«
    Ich drehte den Kaltwasserhahn auf, ließ das Wasser ein paar Sekunden laufen, nahm ein Glas aus dem Hängeschrank über der Spüle, füllte es und stellte es vor Matzbach auf den Tisch.
    »Seien Sie gepriesen.« Matzbach trank, seufzte, trank abermals.
    »Kleine Schlucke? Ich hab Sie als großen Schluckspecht in Erinnerung. Soll ich Sie bedauern? Fragen?«
    »Unterlassen Sie solches. Mich zu bedauern, würde ja nur dazu führen, daß Sie sich edel vorkommen. Ich mag nicht Instrument Ihrer Selbsttäuschung sein.«
    Ich schüttelte den Kopf, goß Kaffee in einen Becher, ließ mich Matzbach gegenüber nieder und drehte die nächste Zigarette. »Geht mich alles nichts an«, sagte ich, »aber Sie sehen schlecht aus, und was machen Sie überhaupt hier an der Erft statt am Rhein?«
    »Der Name des Flusses, an dem man sich dem Verfall ergibt, spielt doch eigentlich keine Rolle, oder?«
    »Ihr Mundwerk tut’s jedenfalls noch, egal an welchem Wasser.«
    Matzbach sagte etwas, aber ich verstand nichts; ein Hubschrauber schien extrem niedrig über die Häuser zu fliegen oder in der Luft zu stehen.
    Ich stand auf und schloß die Terrassentür. Hier und da klirrte etwas, aber immerhin war der Lärm ein wenig gemildert.
    »
Si vis pacem para decibellum
.« Matzbach zupfte an seinem rechten Ohrläppchen. »Danke für die Linderung.«
    »Wenn du Frieden willst, erhöhe die Dezibelzahl?« Ich gluckste. »Mann, das wär’s doch! Eine Lärmwaffe …«
    »Soldat, haben Sie damals gesagt. Jetzt fällt’s mir wieder ein.« Matzbach schloß die Augen; er schien den Rauch der Zigarette zu schnüffeln und seufzte leise. »Ah, Tabak.« Er öffnete die Augen wieder. »Soldat hab ich mir gemerkt. Die meisten, die so etwas in, na ja, Zivilistengesellschaft sagen, tun so, als müßten sie sich dafür entschuldigen. Ich erinnere mich jetzt, daß Sie bei der Frage nach dem, was Sie so machen, ohne Entschuldigung ausgekommen sind. Hat mir gefallen.«
    »Ist doch ein ehrenwerter Beruf.« Ich hob die Schultern. »Ich glaube, entschuldigen muß man sich zur Zeit wohl nur als Banker oder Politiker, wie?«
    »Ich hätte noch ein paar andere Vorschläge. Aber wieso hütet ein Soldat ein Haus?«
    »Längere Geschichte.«
    »Haben Sie’s eilig? Für gute Geschichten hab ich immer Zeit.«
    »Keine Ahnung, ob’s eine gute Geschichte ist. Ich weiß auch nicht, ob ich sie erzählen mag.«
    Matzbach nickte. »Dann ist die Geschichte gut.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Lustgewinn entsteht nur durch das Überwinden von Schwierigkeiten oder Hemmnissen. Wenn Sie’s nicht erzählen mögen, ist wahrscheinlich eine hemmende Schwierigkeit eingebaut, deren Überwindung Ihnen Lustgewinn verschaffen sollte. Und beim Zuhören dann vielleicht auch mir.«
    Der Hubschrauberlärm ließ nach, ohne ganz zu enden. Ich stand auf, öffnete die Tür wieder und ging für ein paar Momente auf die Terrasse. »Scheint da landen zu wollen, wo es gerumst hat«, sagte

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