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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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gekidnappt hatten, mit Nelli auf dem Arm ausstieg. Ratamo fühlte, wie die Sehnsucht schmerzte.
    Plötzlich blieb Sterligow stehen, hob die Hand und befahl den anderen, einen Augenblick zu verharren. Ein erschöpft aussehender Jogger lief auf sie zu. Sterligow wartete, bis er an ihnen vorbeigerannt war, ließ die Hand sinken und ging weiter.
    »Arto Ratamo!« rief der Jogger, und Ratamo drehte sich um.
    Es zischte zweimal, als Vuks aus fünf Metern Entfernung auf Ratamo schoß, der umfiel, als hätte ihn ein Pferd getreten, und unbeweglich liegenblieb.
    Das Mündungsfeuer von Sterligows Maschinenpistole blitzte auf, und der Mechanismus ratterte metallisch. Vuks zitterte und wurde fast in zwei Hälften zerschnitten, als Sterligows Salve seinen Brustkorb traf. Vuks schwankte, ballte die Faust, und seine Waffe feuerte in die Umgebung, bis das Magazin leer war.
    Der Boden erzitterte, als der Benzintank des Mercedes von einem Irrläufer getroffen wurde und explodierte. Das Auto flog fast einen Meter in die Luft.
    Die Druckwelle zerriß ihm fast das Trommelfell. Es dauerte einen Augenblick, bis Ratamo sich so weit erholt hatte, daß er wieder knien konnte. Er spürte einen schneidenden Schmerz in der Brust, und das Atmen tat weh. Der Mercedes brannte wie eine Fackel, meterhohe Flammen stiegen auf. Rauch und Ruß breiteten sich aus und beeinträchtigten die Sicht.
    Nelli! Der Schmerz durchbohrte Ratamo wie ein Bajonett, und ihm entfuhr ein tierischer Klageschrei. Er stand auf und |348| taumelte mit der Waffe in der Hand auf das brennende Auto zu. Jemand drehte ihm schmerzhaft den Arm auf den Rücken, nahm die Waffe weg und zwang ihn, sich hinzuknien.
    Pirkko Jalava sagte irgend etwas, aber ihre Worte erreichten Ratamo nicht. Tränen flossen aus seinen Augen, das erste Mal seit vielen Jahren. Erinnerungen schossen ihm durch den Kopf. Er sah vor sich, wie er Nelli in der Entbindungsklinik das erste Mal auf den Arm nahm, wie er ihr das erste Mal die Windeln wechselte, wie sie den ersten Schritt machte und das erste Wort sagte. Er erinnerte sich an Nellis strohblondes Haar und an ihren Duft, wenn sie im Nachthemd auf seiner Brust lag. Ratamo wurde klar, daß sein Kind tot war. Sein einziges Kind. Er spürte die stärksten menschlichen Empfindungen gleichzeitig und in voller Wucht: Haß, Liebe, Trauer und Angst. Ratamo beugte sich vor und mußte sich übergeben.
    Ein dunkler Saab 9000 bremste heftig und blieb auf dem Asphalt des Schneeabladeplatzes stehen. Ihm folgte ein Transporter, aus dem vier Männer in Kommandoausrüstung heraussprangen. Neben dem Transporter hielten zwei Krankenwagen, dahinter ein Polizeiauto und eine Grüne Minna.
    Ketonen und Vairiala stiegen aus dem Saab aus. Sie schauten auf den Mercedes, der in Flammen stand, bemerkten dann aber die Männer, die aus Richtung des Hubschrauberlandeplatzes auf sie zukamen. Die Männer vom Einsatzkommando der Aufklärungsabteilung hatten ihre Helme und Masken abgesetzt und gingen langsam auf Vairiala zu.
    Rautio betrachtete Vairiala einen Augenblick verblüfft. Er traute sich nicht zu fragen, warum sein Vorgesetzter einen Trainingsanzug trug. Schließlich brachte er doch noch einen Satz heraus: »Wie kommt es, daß du hier bist, mit Ketonen zusammen?«
    |349| »Oh, das ist eine lange Geschichte. Metso hat anscheinend in den letzten Minuten keine Verbindung zu euch gehabt.«
    Der Leiter des Einsatzkommandos der SUPO trat an Ketonen heran. »Es sieht so aus, als wäre der dritte Russe entkommen. Er kann nur ins Meer gekrochen sein. Ich alarmiere sofort die Wasserschutzpolizei und die Grenzwacht.«
    Der Notarzt rannte zu dem Saab.
    »Wie viele Tote?« rief Ketonen.
    »Zwei Männer: Der Jogger und der Fahrer des Mercedes. Ein Mann und das kleine Mädchen waren im Augenblick der Explosion ziemlich nahe an dem Auto. Nach dem Blutverlust zu urteilen, sind ihre Trommelfelle geplatzt«, berichtete der Arzt.
    Ratamo, der auf dem Bauch lag, kehrte ins Leben zurück. Er sprang auf und packte den Arzt mit beiden Händen am Kragen. Seine Augen glänzten.
    »Lebt Nelli! Wo ist sie?«
    »Der Krankenwagen hat sie schon in die Notaufnahme gebracht. Sie wird das sicher überstehen«, sagte der Arzt ganz ruhig.
    »Du kannst mit dem Polizeiauto ins Krankenhaus fahren«, sagte jemand zu Ratamo, dessen Augen wieder feucht wurden, diesmal vor Erleichterung.
    »Warum zum Teufel hast du stundenlang keinen Bericht geliefert? Du bist ja in den letzten Stunden nicht mal ans Telefon gegangen, verdammt

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