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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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    B lut tropfte vom Stumpf des abgeschlagenen Kopfes, regnete in dicken Tropfen herab und sammelte sich in einer rubinroten Pfütze auf den schwarz-weißen Fliesen. Das Gesicht war eine Grimasse des Erstaunens, als hätte der Tod den Mann mitten im Schrei ereilt. Die Zähne, durch einen schwarzen Strich säuberlich voneinander getrennt, waren zu einem grässlichen, stummen Schrei entblößt.
    Ich konnte den Blick nicht abwenden.
    Die Frau, die den entsetzt dreinblickenden Kopf an den blauschwarzen Locken stolz in die Höhe reckte, trug ein scharlachrotes Kleid, das fast die gleiche Farbe wie das Blut hatte.
    Neben ihr stand eine Dienerin und hielt mit gesenktem Blick das Tablett, auf dem sie den Kopf hereingetragen hatte. Auf einem geschnitzten Thronsessel saß eine würdevolle ältere Dame in einem safrangelben Kleid. Sie hatte die Hände auf den Armlehnen zu Fäusten geballt, beugte sich nach vorne und betrachtete die grausige Trophäe mit sichtlicher Befriedigung. Sie hieß Herodias und war die Frau des Königs.
    Die jüngere Frau, die den Kopf gepackt hielt, hieß – jedenfalls dem Geschichtsschreiber Flavius Josephus zufolge – Salo-me. Sie war die Stieftochter des Königs, dessen Name Herodes war, und Herodias war ihre Mutter.
    Der abgeschlagene Kopf gehörte natürlich Johannes dem Täufer.
    Vor einem Monat hatte ich die ganze blutrünstige Geschichte zum ersten Mal gehört, als Vater hinter dem großen geschnitzten Adler gestanden hatte, der in St. Tankred als Lesepult diente, und mit lauter Stimme den entsprechenden Bibeltext vortrug.
    An jenem Wintermorgen hatte ich ebenso gebannt wie jetzt zu dem bunten Kirchenfenster aufgeschaut, auf dem die faszinierende Szene dargestellt war.
    Im Verlauf der Predigt hatte der Vikar dann erläutert, dass die Menschen zur Zeit des Alten Testaments geglaubt hatten, unser Blut würde unser eigentliches Leben enthalten.
    Blut – na klar!
    Warum war ich nicht schon längst darauf gekommen?
    Ich zupfte meine Schwester am Ärmel. »Du, Feely, ich muss sofort nach Hause!«
    Sie beachtete mich überhaupt nicht. Ihr Blick war starr auf die Noten gerichtet, ihre Finger flogen im abendlichen Dämmerlicht wie weiße Vögel über die Orgeltasten.
    Mendelssohns Wie groß ist des Allmächt’gen Güte.
    Bis Ostern war es nicht mal mehr eine Woche, und Feely wollte mit diesem Stück ihr offizielles Debüt als Organistin von St. Tankred geben. Der flatterhafte Mr. Collicutt, der den Posten erst seit letztem Sommer innegehabt hatte, war plötzlich und ohne Erklärung aus unserem Dorf verschwunden. Deshalb hatte man Feely gebeten, seine Stelle einzunehmen.
    St. Tankred verbrauchte Organisten wie eine Pythonschlange weiße Mäuse. Vor einigen Jahren noch hatte Mr. Taggart den Posten innegehabt, dann Mr. Denning. Und jetzt hatte auch Mr. Collicutt das Handtuch geworfen.
    » Feely!«, drängelte ich. »Es ist wichtig. Ich habe etwas zu erledigen.«
    Feely drückte mit dem Daumen ein elfenbeinernes Register, und die Orgel röhrte gewaltig auf. Diese Stelle mochte ich besonders gern. Hier verwandelte sich das friedliche Plätschern von Meereswellen bei Sonnenuntergang in das Fauchen einer Raubkatze im Dschungel.
    Für meinen Geschmack gilt bei Orgelmusik: Je lauter, des-to besser.
    Ich legte das Kinn auf die angezogenen Knie und kauerte mich wieder in die Ecke des Chorgestühls. Anscheinend wollte Feely das Stück auf Biegen und Brechen bis zum Schluss durchprügeln. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu warten.
    Ich schaute mich um, aber es gab nicht viel zu sehen. Im fahlen Schein der einzigen Glühbirne über dem Notenpult hätten meine Schwester und ich ebenso gut Schiffbrüchige auf einem winzigen Lichtfloß in einem Ozean aus Dunkelheit sein können.
    Wenn ich wie ein Gehenkter den Hals verdrehte und den Kopf in den Nacken legte, konnte ich gerade noch das Antlitz des heiligen Tankred ausmachen, das in das Ende eines eichenen Dachbalkens geschnitzt war. Im Halbdunkeln sah er aus wie jemand, der draußen in der Kälte steht, sich die Nase an einer Fensterscheibe platt drückt und sehnsüchtig in ein gemütliches Zimmer mit knisterndem Kamin hereinschaut.
    Ich nickte ihm respektvoll zu. Dabei konnte er mich gar nicht sehen, weil seine Gebeine nämlich in der Krypta unter uns vermoderten. Aber man weiß ja nie.
    Johannes der Täufer und seine Mörder hinter der Kanzel waren inzwischen kaum noch zu erkennen. In diesen wolkenverhangenen Märztagen wurde es früh dunkel, und vom Innenraum

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