Finnisches Quartett
selbst ein Dummkopf. Der Zeitzünder der Sprengladungen war schon eingestellt.« Hanes bemerkte, daß er sich aufregte, und setzte sich an den Beratungstisch. »Und natürlich wird Nordman als Chef von Final Action auch für den Anschlag der Organisation in Indien zur Verantwortung gezogen.«
Ulrike versuchte ihre Trauer zu ersticken, indem sie auf sich selbst wütend wurde. Warum war ihr nicht klargeworden, daß Lasse Final Action führte? Warum hatte sie keine Anzeichen des Verrats gesehen, obwohl Lasse viel Zeit allein verbrachte und zuweilen überraschende Auslandsreisen unternahm.
Gut, daß Nordman schon vor geraumer Zeit aus der finnischen Armee ausgeschieden war, so würde er zumindest deren Ruf nicht schädigen, dachte Ratamo. »Hat man etwas von O’Donnell gehört?« fragte er und zuckte zusammen, als die Klimaanlage ein schrilles Geheul von sich gab.
»Der Mann wird natürlich gefunden. So ein Verrückter läuft hier nicht lange frei herum«, antwortete Hanes verärgert. »Der Name in dem Paß, den O’Donnell verwendete, Aidan Cahill, hat uns außerdem schon geholfen, ihm auf die Spur zu kommen. Der Mann war in Belfast lange in psychiatrischer Behandlung, Aidan Cahill sind im Laufe der letzten Jahre mehr Beruhigungsmittel und antipsychotischeMedikamente verschrieben worden als ganz Hollywood. Die Liste der Bezeichnungen ist endlos: Thioridazin, Haloperidol, Perphenazin, Amitryptilin, Maprotilin, Chlorbrom, Pacinol, Melleril, Orsanil … Schließlich hat ein Mittel namens Risperidon bei ihm gut gewirkt«, las Hanes aus seinen Unterlagen vor. »Es sieht so aus, als hätte man O’Donnells Krankheit mit den Medikamenten ziemlich gut unter Kontrolle gehabt, bis dann Mary Cash ins Bild trat und ihren Bruder zwang, ihr zu helfen.«
Waren das Medikamente, was Ezrael in dem Kellerloch genommen hatte, überlegte Ulrike und war schockiert. Hatte er die Medikamente gesucht, als er in den Taschen und der Handtasche seiner toten Schwester wühlte? So mußte es gewesen sein. Mary Cash hatte die Medikamentendosierung ihres Bruders reduziert und damit den Gesundheitszustand seiner Psyche reguliert. Vielleicht hatten die Medikamente in den letzten Tagen die gesunden Schichten in Eamons Psyche wiederbelebt, zumindest teilweise. Oder bildete sie sich das nur ein?
»Ezrael braucht eine Behandlung«, sagte Ulrike leise. »Vielleicht hat er nach Jahren der Therapie etwas Hoffnung. Ein Mensch kann ja wohl nicht schlecht sein, wenn er nicht mal begreift, daß er Böses tut?«
»Ich würde O’Donnell auf den elektrischen Stuhl setzen«, schnauzte Hanes so heftig, daß er beinahe seinen Kaugummi verschluckt hätte.
Genau so einen Kommentar hatte Ulrike erwartet. »Wem würde das nützen? Rache erzeugt nur neue Wunden und neue Rächer.«
Ratamo wollte vermeiden, daß aus dem Gespräch ein Streit wurde. »Das FBI hat sicher umfangreiche Informationen darüber, was Ungeheuer wie O’Donnell entstehen läßt.«
Die Antwort kam von Ulrike. »Gewalt erzeugt wieder Gewalt.Denken Sie mal an die Kindheit von Ezrael, das war nichts als psychischer und physischer Sadismus.«
Auch Hanes ging nicht auf Ratamos Versuch ein, die Atmosphäre zu entspannen. »Man kann die Eltern und die Kindheit nicht für alles verantwortlich machen. Jedes Individuum hat die freie Wahl und eine dementsprechende Verantwortung.«
»Es wird ja wohl kein Verrückter solch ein Leben freiwillig wählen«, sagte Ratamo verwundert.
Hanes lachte. »Gerade ein Verrückter tut das«, erwiderte er. Im selben Moment kam ein junger Mann von kaum zwanzig Jahren herein und brachte ein Tablett mit Kaffee. Keiner interessierte sich für die Thermoskanne und die Kekse.
Ratamo beschloß, die Streiterei zu beenden. »Sie sind nicht verantwortlich für das, was O’Donnell getan hat«, sagte er zu Ulrike. »Sie haben doch versucht, den Mann zur Aufgabe zu bewegen. Sie haben versucht zu verhindern, daß O’Donnell tötete.« Ratamo war erstaunt, als er die Härte in Ulrikes Blick sah.
»Nein. Ich wußte, daß Ezrael Moreno erschießen würde, und habe es zugelassen.«
»Es gibt Situationen, in denen man nur das Schlechte wählen kann«, sagte Ratamo, obwohl ihm klar war, daß seine Worte nicht im geringsten trösten würden.
Ulrike schwieg, der Disput würde zu nichts führen. Sie würde vielleicht nie die Wahrheit über Ezrael erfahren. Wie verwirrt war er zu welchem Zeitpunkt in der letzten Woche gewesen? Letztendlich hatte Ezrael dennoch im entscheidenden
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