Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers
verstecken. Klayth, ihr neuer Freund und Gefährte, hatte nichts bekommen. Ch’tin sah verlegen an sich herunter, dorthin, wo – hätte er welche gehabt – seine Füße gewesen wären. Keiner wußte, wie er sich verhalten sollte. Keiner wußte, was er sagen sollte. Jeder hatte Mitleid mit Klayth.
Dann erschien an der Stelle, wo Merlot gestanden war, einen Augenblick lang ein bärtiges Gesicht.
»… auch du, mein junger Freund, bist nicht leer ausgegangen!« Das Gesicht blickte Klayth fest an. »Nun? Was hast du wohl bekommen? Na?«
Der junge König drehte die Hände um: nichts. Er kramte in seinen Taschen: nichts. Er blickte auf, sah das durchscheinende Gesicht des Zauberers an und zuckte die Achseln.
»Und wo hast du noch nicht nachgesehen?«
Klayth starrte stumpfsinnig einen Felsbrocken neben sich an, wollte darunter nachsehen…
»Sei nicht dämlich«, sagte Merlots schwebendes Gesicht. »Wo? Überleg noch mal!«
»Ich habe keine Ahnung.« Klayth war wie vernagelt.
»Ehrlich ist er wenigstens«, sagte der Zauberer. »Und Ehrlichkeit steht Königen gut an, nicht wahr?«
Merlots Gesicht schwebte den Hügel herab, segelte wie ein mit Einfühlungsvermögen begabter Luftballon auf die kleine Gruppe zu und blieb dann vor Klayth in der Luft stehen.
»Sieh doch einmal genau um dich«, sagte es verschwörerisch. »Mach schon, schau dich um! Und dann sag mir: Was siehst du da? Na?«
Der junge König kniff die Augen zusammen und schaute in die Ferne. Er sah Schloß Isolon … aber das hatte er bereits gesehen. Er sah die vielen Menschen … ein schöner Anblick, zugegeben. Nur glaubte er eigentlich nicht, daß es das war, was Merlot meinte. Firkin lächelte heimlich, stieß Hogshead und Courgette an, und gab ihnen Handzeichen. Hogshead und Courgette grinsten.
»Was?« fragte Klayth, als er die grinsenden Gesichter sah. »Ist es hinter mir?«
Er drehte sich schnell um und sah hinter sich.
»Richtig!« riefen die drei von hinten.
Merlots Gesicht grinste.
»Ich sehe es nicht!« jammerte Klayth.
»Sie«, sagte Merlot knapp. »Ich sehe sie nicht.«
Den Körper noch nach vorn gedreht, wandte sich Klayth um und lächelte seine drei neuen Freunde scheu an.
Meine drei Freunde, dachte er. Das klang gut. Es gefiel ihm.
»Jetzt hast du die Freunde, die du dir immer gewünscht hast«, sagte Merlot. Sein Gesicht verblaßte wie die Farbe einer welkenden Rose.
Und als Klayth jetzt begriff, wie recht Merlot hatte, füllten sich seine Augen mit Tränen. Das Herz ging ihm auf, er hätte am liebsten gebrüllt, wollte vor Freude schreien und springen und tanzen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr: Es war phantastisch, ein König zu sein!
Lautlos verschwand das Gesicht.
Klayth rannte auf Courgette zu und umarmte sie.
Ch’tin strahlte. Hogshead steckte ihn vorsichtig in die Tasche.
»Kommt schon«, sagte Firkin, »ein Fest wartet auf uns!« Er sah ins Tal hinunter… Es war ein Anblick, der ihn mit Hoffnung erfüllte.
Immer noch strömten die Menschen in Scharen zum Schloß. Wie Ameisen zu einem Festessen kamen sie aus allen Himmelsrichtungen, um ein neues Zeitalter feierlich zu begrüßen. Klayth war unsagbar stolz. Firkin konnte es kaum mehr erwarten, Dawn endlich wiederzusehen.
Sie brachen auf, marschierten den Berg hinunter und machten sich mit Freude im Herzen auf den Weg zu einem Fest im märchenhaft erleuchteten Schloß. Sie schwebten beinahe, ihre Füße schienen kaum den Boden zu berühren, es war, als gingen sie durch ziehende Nebelschwaden aus Trockeneis. Daß keiner von ihnen ein Wort sprach, das würde sich voraussichtlich sehr bald schon ändern. Im Augenblick jedoch genoß jeder für sich die wunderbare Stimmung, das sichere Gefühl, nie mehr getrennt zu sein.
Courgette und Hogshead bildeten die Nachhut. Sie gingen sehr langsam und lächelten sich an.
Courgette hielt ihre Feder fest und dachte voller Liebe an Arbutus.
Hogshead hielt ihre Hand und dachte voller Liebe an sie.
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