Nicht schon wieder Liebe
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D as Wimmern von Countrymusic und der Geruch nach Zigarettenrauch und Bier trafen Veronica Davis wie ein Schlag an den Kopf, als sie sich durch die Tür der Honky Tonk Bar in der Baker Street schob. Die altbekannten Geräusche und Gerüche versetzten sie abrupt in die Vergangenheit zurück und bombardierten sie mit einer Unmenge von Erinnerungen.
Keinen sonderlich angenehmen.
Sie blieb gleich hinter der Tür im Eingang stehen und holte ein paar Mal tief und bewusst ruhig Atem, während sie beobachtete, wie ein dünner Rauchschleier in dem Luftzug, den sie beim Hereinkommen erzeugt hatte, an ihr vorbeischwebte. Der Rauch waberte und wirbelte durch den Raum, nahm die mehrfarbigen Schattierungen der Neonreklame für Whisky an, die in der matt erleuchteten Bar als Dekoration gelten konnte. Auf den Tischen flackerten Votivkerzen in Behältern, von denen Veronica hätte schwören können, dass es dieselben rauchfleckigen Gläser waren, die schon vor zwölf Jahren dort gestanden hatten.
Die Musik brach für einen kurzen Moment ab, während die Jukebox auf einen neuen Titel umschaltete. Stimmen hoben und senkten sich, Kugeln klickten auf dem Billardtisch in der Ecke, und Gläser klirrten leise als eine Kellnerin leere Gläser von einem Tisch räumte und auf einem Tablett stapelte. Eine plötzliche Aufwallung von Panik nahm ihr fast den Atem, und sie musste sich nachdrücklich ins Gedächtnis rufen, dass sie lediglich kurz hereinschauen wollte, um sich mit dem neuen Barkeeper/Geschäftsführer bekannt zu machen, den Marissa eingestellt hatte, und sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie die Bar lief. Sie hatte zwar etliche Jahre hier gearbeitet, hatte aber bestimmt nicht vor, es jemals wieder zu tun; also gab es nicht die geringste Veranlassung, sich so zu fühlen, als müsste sie auf der Stelle kehrtmachen und die Flucht ergreifen.
Als die Kellnerin das Tablett mit den leeren Gläsern auf einer Hand balancierte und sich über den Tisch beugte, um verschüttetes Bier aufzuwischen, erinnerte Veronica sich nur zu deutlich daran, wie klebrig die Tische ständig zu sein schienen, ganz egal, wie oft man sie abwischte. Und als eine lärmende Gruppe von Männern an einem anderen Tisch anzügliche Bemerkungen über die Art machte, wie die Kellnerin ihre Jeans ausfüllte, erinnerte sich Veronica auch wieder an die nervenaufreibenden Kommentare, die sie damals ständig anhören musste.
O Gott! Angesichts der Umstände, die sie nach Fossil zurückgeführt hatten, hätte sie nicht gedacht, dass sich ihr Magen noch aufgewühlter anfühlen könnte, als es ohnehin schon der Fall war. Aber sie hatte sich geirrt. Obwohl sie nie vergessen hatte, wie es war, den ungeniert grapschenden Händen betrunkener Männer auszuweichen, war es doch schon lange her, dass sie damit hatte fertig werden müssen, und die magenaufwühlende Aktualität war längst verblasst.
Doch jetzt stürmte alles wieder auf sie ein, als sie zusah, wie einer der Männer den Umstand, dass die Kellnerin beschäftigt war, ausnutzte, um ihr Hinterteil zu tätscheln. Ein alter, vertrauter Geschmack ohnmächtiger Wut stieg in Veronicas Kehle auf, als der Mann seine Freunde angrinste und die wohl gerundete Pobacke der jungen Frau kräftig drückte. Erbost marschierte Veronica los.
Sie blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als das voll beladene Tablett der Kellnerin plötzlich mit einem ohrenbetäubenden Lärm auf die Tischplatte krachte. Es stieß gegen den Kerzenhalter, der über den Tisch schlitterte, aber glücklicherweise zum Stehen kam, ehe er über die Kante kippen und auf dem Fußboden zersplittern konnte.
»Jetzt reicht’s mir aber, verdammt noch mal!« Die wütende Stimme der Cocktailkellnerin war laut und deutlich in der plötzlich eingetretenen Stille zu hören. Sie langte blitzschnell hinter sich, kratzte mit langen, knallrot lackierten Fingernägeln über die Hand des Mannes und wirbelte zu ihm herum, als er sie ruckartig zurückzog.
Der Betrunkene schrie voller Empörung auf und sprang auf die Füße, sodass sein Stuhl scharrend über den Fußboden rutschte. »Du elendes Miststück!« Er starrte ungläubig auf die Blutstropfen, die aus den Kratzwunden auf seinem Handrücken hervorzuquellen begannen. Dann ballte er die Hand zur Faust und hob den Arm, als wollte er die Frau schlagen.
Mit einem erstickten Laut des Protests auf den Lippen versuchte Veronica, der Frau zu Hilfe zu kommen. Doch ehe sie sich an den Gästen vorbeidrängen konnte,
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