Fischland Mord - Küsten-Krimi
bekannte Gesichter unter den Traumtänzern.
Er erreichte Malbek in seinem Büro in Kiel. »Hallo, Lüthje, wie war
das Händchenhalten im Zug?«, fragte Malbek.
»Du bist schon wieder bestens informiert. Lass mich raten. Hilly hat
noch schnell Jette angerufen, und die hat es dir entzückt mitgeteilt, ›wie süß,
die beiden‹ und so weiter. Ich wollte dir erzählen, dass ich soeben auf dem
Kieler Bahnhof mitten im Feierabendtrubel Gast einer mitreißenden
Ballettaufführung war. Der Titel ist ›Stille Post im lauten Bahnhof‹. Ich nehme
an, es war eine Generalprobe oder Premiere, denn sonst müssten die Kollegen vom BGS die Inszenierung schon gesehen
haben.«
Während er Malbek sein Treffen mit dem Kurier vor der Toilettentür
und die nachfolgenden Beobachtungen schilderte, sah er sich in der Kabine nach
möglichen Verstecken um. Eine Spurensicherung war hier überflüssig. Es war eine
öffentliche Toilette. Selbst wenn sie heute Morgen gereinigt worden war,
konnten hier seitdem inzwischen hundert Menschen alle möglichen Körperflüssigkeiten
verteilt haben. Es roch ganz danach.
»Mach deinen Kollegen Dampf, vielleicht ist die Vorstellung bald zu
Ende, und niemand weiß, wann sie wieder auf dem Spielplan steht. Die Kollegen
können sich hier vielleicht wochenlange Observationen ersparen.«
Hinter der Einwurföffnung für die Papierhandtücher fühlte er so
etwas wie Schleifpapier. Er ignorierte das Klopfen an der Tür. Er kniete sich
angeekelt auf den dreckigen Boden und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die
Öffnung.
»Einen Moment, Malbek! Ich habe hier was gefunden. Gott sei Dank
nicht unter dem Geruchsverschluss der Toilettenschüssel. Ein Stück Klettband
hinter der Oberkante der Abfallöffnung! Da wird also deponiert. Genial
einfach!«
»Verstanden! Lass das Klo abschließen, damit die Kollegen in
Flensburg nachsehen können«, sagte Malbek.
Lüthje informierte den Zugführer. Der rief seine Leitstelle an und
holte unter seiner Instrumententafel einen Vierkantschlüssel heraus. »Richten
Sie sich darauf ein, dass wir Verspätung haben werden!«
Als der Zug losfuhr, war er bis auf den letzten Platz besetzt. In
Süderbrarup gab es eine Verspätung von über dreißig Minuten. So lange dauerte
es, bis ein paar Fahrgäste die Bahnhofstoiletten besucht hatten.
Lüthje fragte sich schläfrig, warum er dieses Sich-immer-zuständig-Fühlen
nicht mal ausschalten konnte. Ob er das nicht säuberlich herauspulen könnte,
vielleicht wie eine Gräte ausspucken, hatte er seinen Freund, den
Gerichtsmediziner Brotmann, einmal gefragt. Eine besondere Form des
Pawlow’schen Reflexes hatte der es genannt. Lüthje hatte abgewinkt.
Als der Zug in einer lang gestreckten Kurve langsam in den
Flensburger Fjord hinunterfuhr, klingelte sein Handy.
Es war Malbek. »Weißt du es schon?«
»Was ist los?«, fragte Lüthje.
»Irgendjemand hat Schackhaven informiert, dass es unter den
Balletttänzern auf den Bahnsteigen ein paar bekannte Gesichter gibt. Den
Einsatz selbst hat dann Gondersen geleitet. Dabei ist ein Unbeteiligter
erschossen worden.«
»Scheiße! Wie konnte das passieren? Wieso wurde überhaupt geschossen?«
»Gondersen hat mich gebeten, dich anzurufen, bevor es ein anderer
tut. Wer weiß, was dir sonst erzählt wird. Schließlich kam der Tipp von dir,
und ich habe ihn an Gondersen weitergegeben. Außerdem kennst du ihn ja aus
deiner Kieler Zeit. Damit ist der … na, sagen wir, der private Dienstweg
eingehalten.«
»Ja, schon gut. Wer hat geschossen?« Lüthje machte sich Vorwürfe.
»Unklar. Außerdem hat niemand einen Schuss gehört. Die
Gerichtsmedizin hat zugesagt, das Opfer morgen so früh wie möglich zu obduzieren.«
»Du hältst mich auf dem Laufenden, ja?«
»Ich soll dich von Gondersen fragen, ob du zur Sichtung des Videos
der Überwachungskameras morgen Nachmittag nach Kiel kommen kannst. Du hast
diese Balletttänzer ja vorher beobachtet. Vielleicht … ja, Gondersen meinte …«
»Dass ich ihm aus der Scheiße helfen kann, stimmt’s? So als alter
Kieler Kollege?«
»Bingo.«
»Und du führst die Ermittlungen?«
»Messerscharf kombiniert, Holmes. Gondersen und ich bitten dich also
beide um deine Hilfe …«
Lüthje hatte eben gerade angefangen, sich von der Sache zu
verabschieden, und jetzt steckte er mittendrin. Er könnte immer noch sagen, er
habe keine Zeit, er mache einen schriftlichen
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