Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
setzen uns hin, um ihn zu beobachten, die Rute wärmend um die Vorderpfoten gelegt. Was hat das mit uns zu tun?
Wir sind satt, wir können schlafen. Er hebt plötzlich den Kopf und sieht uns an.
Warte. Nur noch einen Moment. Warte.
Er knurrt den anderen an, der das Licht über das Loch hält. Rudelherz beugt sich nieder, und der andere greift zu, um ihm zu helfen. Sie heben etwas aus dem Loch. Bei dem Geruch von diesem Ding sträubt sich uns das Nackenfell. Wir springen auf, wir drehen uns im Kreis, wir können nicht fort. Plötzlich wird eine Angst gegenwärtig, eine Ge fahr, eine Drohung von Schmerz, von Einsamkeit, von einem Ende.
Komm. Komm zu uns herunter, komm. Wir brauchen dich jetzt. Es ist Zeit.
Dies ist nicht Zeit. Zeit ist immer, ist überall. Du brauchst uns, aber vielleicht wollen wir nicht gebraucht werden. Wir haben Fleisch und einen warmen Platz zum Schlafen, was brauchen wir sonst? Wir werden dem Ruf folgen.
Wir werden es beriechen, wir werden sehen, was es ist, das uns lockt und ruft. Den Bauch im Schnee, die Rute gesenkt, kriechen wir den Hügel hinunter.
Rudelherz sitzt im Schnee und hält es in den Armen. Er winkt den anderen zur Seite, und jener weicht zurück, zurück, zurück und nimmt sein schmerzendes Licht mit sich. Wir rücken näher. Der Hang liegt jetzt hinter uns, alles ist kahl hier und ohne Deckung. Es ist ein weiter Weg zu einem Versteck, sollte sich plötzlich eine Gefahr zeigen. Aber nichts regt sich. Da ist nur Rudelherz und das Ding in sei nen Armen. Es riecht nach Blut. Er schüttelt es wie wir ein Stück Fleisch. Dann reibt er es, knetet es mit den Händen, wie die Zähne einer Wölfin einen Welpen beknabbern, um ihn vor Flöhen zu befreien. Wir kennen den Geruch. Wir schieben uns näher heran. Näher.
Was willst du?, fragen wir ihn.
Komm zurück.
Wir sind gekommen.
Komm hierher zurück, Wandler. Er ist beharrlich. Sieh. Er hebt einen Arm, eine schlaffe Hand. Er zeigt uns einen Kopf, der leblos an seiner Schulter liegt. Er dreht den Kopf, zeigt uns das Gesicht. Wir kennen es nicht.
Was ist das?
Du bist es, Wandler. Es gehört dir.
Es riecht schlecht. Es ist verdorbenes Fleisch. Wir wollen es nicht. Am Teich wartet besseres Fleisch als dieses.
Komm her. Komm näher.
Dies ist keine gute Idee. Wir werden uns hüten. Er schaut uns an und bannt uns mit sei nen Augen. Er kommt nä her an uns heran, bringt es mit. Es schlenkert in seinen Armen.
Ruhig, ganz ruhig. Dies gehört dir, Wandler. Komm her.
Wir knurren, doch er wendet den Blick nicht ab. Wir ducken uns nieder, wir möchten weglaufen, aber er ist stark. Er nimmt die schlaffe Hand und legt sie uns auf den Kopf, dabei hält er uns am Nackenfell fest.
Komm zurück. Du musst zurückkommen. Er gibt nicht nach.
Wir graben die Krallen in die schneebedeckte Erde. Wir krümmen den Rü cken und kriechen rückwärts. Er verstärkt seinen Griff an unserem Genick. Wir sammeln Kraft, um uns loszureißen und zu fliehen.
Lass ihn gehen, Nachtauge, er gehört nicht dir. Eine Andeutung von Zähnefletschen in diesen Worten, seine Augen bannen uns.
Er gehört auch nicht dir, sagt Nachtauge.
Wem gehöre ich dann?
Schwindelgefühl, das kurze Taumeln zwischen zwei Welten, zwei Wirklichkeiten, zwei Körpern. Dann wirft ein Wolf sich herum und flieht mit eingeklemmtem Schwanz. Über den Schnee
läuft er allein davon und flüchtet vor den vielen merkwürdigen Dingen dort. Auf einer Hügelkuppe hält er an, reckt die Nase zum Himmel und heult. Heult und beklagt sich über die Ungerechtigkeit der Welt.
Ich habe keine Erinnerung an mein einsames Grab in gefrorener Erde. Nur eine Art Traum. Ich fror entsetzlich und konnte mich nicht bewegen, und Branntwein rann wie Feuer nicht nur in meinen Mund, sondern durch meinen ganzen Körper. Burrich und Chade wollten mich nicht in Frieden lassen. Sie nahmen keine Rücksicht darauf, ob sie mir Schmerzen zufügten, und hörten nicht damit auf, meine Hände und Füße zu reiben. Sie achteten dabei nicht auf die alten Blessuren und die verschorften Wunden an meinen Armen. Und jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, wurde ich von Burrich gepackt und geschüttelt. »Bleib bei mir, Fitz«, sagte er wieder und wieder. »Bleib bei mir, bleib bei mir. Komm schon, Junge. Du bist nicht tot.« Dann drückte er mich plötzlich an sich, sein bärtiges Gesicht kratzte an meiner Wange, und seine heißen Tränen fielen auf mein Gesicht. Am Rand meines Grabes im Schnee sitzend, wiegte er sich mit mir hin
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