Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
und her. »Du bist nicht tot, Sohn. Du bist nicht tot.«
EPILOG
E s war etwas, wovon Burrich gehört hatte, eine Geschichte, die seine Großmutter zu erzählen pflegte. Die Geschichte von einer Frau mit der alten Macht, die ihren Körper verlassen konnte, für einen Tag oder so, und dann wieder in ihn zurückkehren. Und Burrich hatte Chade davon berichtet, und Chade hatte die Ingredienzien gemischt, die mich an den Rand des Todes bringen würden. Sie sagten mir, ich wäre nicht gestorben, das Gift hätte nur mein Herz und mei nen Atem so weit verlangsamt, dass man mich für tot halten musste.
Ich glaube ihnen nicht.
Und so lebte ich wieder im Körper eines Menschen. Obwohl ich einige Tage und noch länger brauchte, um mich zu erinnern, dass ich ein Mensch gewesen war. Und manchmal zweifle ich auch jetzt noch daran.
Mein Leben als FitzChivalric lag in rauchenden Trümmern hinter mir. Nur Burrich und Chade wussten, dass ich nicht gestorben war. Von denen, die mich gekannt hatten, gedachten nur wenige meiner mit einem Lächeln. Edel hatte mich getötet, und das in jeder Hinsicht, die für mich als Mensch von Bedeutung war. Jene aufzusuchen, die mich geliebt hatten, in meiner menschlichen Gestalt vor sie hinzutreten, wäre für sie nur ein weiterer Beweis für die un reine Magie gewesen, mit der ich mich besudelt hatte.
Für die Welt war ich in meiner Zelle gestorben, einen Tag oder zwei nach dem letzten »Verhör«. Die Herzöge waren über meinen Toderzürnt gewesen, doch Edel hatte genügend Beweise und Zeugen für meine widernatürlichen
Praktiken, um vor ihnen das Gesicht zu wahren. Ich nehme an, die Männer seiner Leibgarde konnten sich die Peitsche nur damit ersparen, dass sie aussagten, ich hätte Will mit der alten Macht angegrifen, was auch der Grund dafür sei, weshalb er scheinbar nicht genesen könne. Sie sagten, sie hätten mich so heftig schlagen müssen, um den Bann zu brechen, mit dem ich ihn festhielt. Angesichts so vieler Zeugen wandten die Herzöge sich nicht nur von mir ab, sondern wohnten Edels Krönung und der Einsetzung von Lord Vigilant als Statthalter des Königs in Bocksburg bei. Philia hatte darum gebeten, dass mein Leichnam nicht verbrannt würde, sondern unversehrt der Erde übergeben wurde. Auch Lady Grazia hatte in diesem Sinne interveniert, sehr zum Verdruss ihres Gemahls. Nur diese beiden hatten ungeachtet von Edels Beweisen für meine Versündigung mit der alten Macht zu mir gehalten.
Ich glaube kaum, dass er sich nur ihnen zuliebe bereitfand, auf mich zu verzichten. Vielmehr hatte mein vorzeitiger Tod das Schauspiel verdorben, das meine öfentliche Hinrichtung und die anschließende Verbrennung meines Leichnams geboten hätte. Um seine vollständige Rache betrogen, verlor Edel ein fach das Interesse an mir. Er verließ Bocksburg und ging landeinwärts nach Fierant. Philia erhob Anspruch auf meine sterblichen Überreste, um sie in die Erde zu betten.
Zu meinem jetzigen Leben erweckte mich Burrich, doch es ist ein Leben ohne In halt. Ohne jeglichen Sinn, bis auf die Liebe zu meinem wahren König. Im Lauf der nächsten Monate zerfiel das Reich der Sechs Provinzen mehr und mehr, denn die Korsaren nahmen unsere guten Häfen in Besitz, vertrieben unser Volk von Heim und Herd oder erniedrigten sie mit Sklavendiensten, während die Outislander sich als neue Herren niederließen. Die Zahl der Entfremdungen nahm zu. Wie Prinz Veritas vor mir, wandte ich all dem den Rücken und ging landeinwärts. Er war einst dorthin gegangen, um seine Aufgaben als König zu erfüllen. Ich aber folgte meiner Königin auf der Suche nach meinem König. Dunkle Zeiten brachen herein.
Selbst jetzt noch, wenn der Schmerz mich stärker bedrängt als gewöhnlich und die Kräuter mir keine Linderung bringen, wenn ich den Körper spüre, der mich gefangen hält, erinnere ich mich meiner Tage als Wolf. Ich begreife sie nicht als kurze Episode, sondern als eine Jah reszeit meines Lebens. Trost liegt in dieser Erinnerung, aber auch eine Versuchung. Komm, lass uns jagen, vernehme ich im mer wieder in mei nem Herzen dieses lockende Flüstern. Lass den Schmerz hin ter dir zurück und lebe wieder dein eigenes Leben. Es gibt einen Ort, wo du die Zeit in deiner eigenen Hand hältst. Die Entscheidungen dort sind leicht, und nur du bestimmst über dein Tun.
Wölfe haben keinen König.
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