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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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schließlich nahe genug heran, um einen Spieß mit Teriyaki-Rindfleisch und ein Grolsch zu ergattern. Gerülpste Hurrarufe und unregelmäßiger Beifall aus dem Nebenzimmer zogen mich zu einer größeren Schar. Ich schlenderte hinüber und fand Dutzende von Augen auf den riesigen Projektionsbildschirm gerichtet, den das Hotel Präsidenten zur Verfügung stellte.
    Überlebensgroße Pornos flackerten vorüber. Körper wanden und verdrehten sich und klatschten im Takt eines asthmatischen Saxophonsolos gegeneinander. Die Männer um mich herum gafften und bemühten sich, einen gleichgültigen Eindruck zu machen. Ich verzog mich, holte mir noch was zum Essen, stellte mich an den Rand und fragte mich, was zum Teufel ich hier tat, warum ich mir nicht den Mund abwischte und ging.
    Ein Pathologe, den ich kannte, kam mit einem Whiskey in der Hand zu mir herüber.
    »Hey«, sagte er mit Blick auf den Bildschirm. »Sind Sie nicht der Typ, der erklären sollte, warum wir das tun?«
    »Sie verwechseln mich offensichtlich mit einem Anthropologen.«
    Er kicherte. »Eher mit einem Paläontologen. Ich wette, Höhlenmänner haben unanständige Bilder gemalt. Sollen wir davon nicht ein Video machen und es bei den Grand Rounds vorführen?«
    »Noch besser wäre«, sagte ich, »beim nächsten Galaempfang zur Spendenbeschaffung.«
    »Richtig. Zwanzig-Zentimeter-Schwänze und feuchte Muschis - wir sollten Sauerstoff für Mrs. Prince und die anderen Tanten bereithalten.«
    Ein Geheul der Menge vor dem Großbildschirm ließ unsere Köpfe herumfahren. Dann erklang ein scharfer Ton - Besteck auf Glas, Rufe um Ruhe, und das Stimmengewirr ebbte ab, isolierte das dumpfe Dröhnen des Porno-Soundtracks. Gestöhnt wurde weiter in Stereo. Die Stimme einer Frau drängte: »Scheiße - fick mich«, und das Publikum reagierte mit nervösem Lachen. Dann ein knappes, abruptes Schweigen.
    Ein untersetzter Mann mit rotem Gesicht - ein Finanzvorstand namens Beckwith - trat mit einem fast vollen Bierkrug in der Hand in den Raum zwischen den beiden vorderen Zimmern. Seine Brille war auf seiner fleischigen Nase nach unten gerutscht, und als er sie wieder nach oben schob, schwappte Bier über und schäumte auf dem Teppichboden.
    »Geh wieder, Jim!«, rief jemand.
    »Lass 'nen Neuro-Checkup machen, Jim!«
    »Deshalb können Bürohengste keine Chirurgen werden!«
    Beckwith schwankte ein bisschen und grinste. »Hört, hört, Gentlemen - und ich benutze diesen Begriff wirklich im weitesten Sinn - seht her, was wir auf die Beine gestellt haben - ist das ein gottverdammter Knaller oder was!«
    Hurrarufe, Gejohle, Rippenstöße, ex getrunkene Gläser.
    »Du bist ganz schön zugeknallt, Jim!«
    Beckwith rieb sich Augen und Nase, salutierte mit einem Arm und verspritzte noch mehr Bier. »Weil wir alle so ernsthafte, nüchterne Mitbürger sind - weil wir niemals davon träumen würden, Gott und Gattinnen und Vaterland und moralische Verpflichtungen aufzugeben, außer in einer ernsten Notlage« - lautes Gelächter - »und Gott sei Dank befinden wir uns in einer teuflischen Notlage, Brüder! Die bevorstehende Verurteilung - äh, Hochzeit unseres geschätzten - Meerschätzten - Kumpels ... der genialische, infernalische, martialische Dr. Phil Harnsberger, Schwinger des radioaktiven Krebskiller-Strahls, uns allen besser bekannt als El Terminator, alias Er Der Hinter der Bleitür Lauert\ Komm raus, Phil - wo bist du, mein Junge?«
    Vom Bräutigam war nichts zu sehen.
    Beckwith deutete mit einer Hand ein Megaphon an. »Dr. Todesstrahl, bitte! Dr. Todesstrahl zur Bühnenmitte. Komm schon, Phil, zeig dich, mein Junge!«
    Sprechchöre wurden angestimmt: »Phil, Phil, Phil, Phil... «
    Dann: »Hier kommt er!«
    Donnernder Beifall, die Menge wogte, und aus ihrer Mitte wurde Phil Harnsberger, ein Martiniglas umklammernd, hervorgestoßen und neben Beckwith geschoben.
    Der normalerweise blasse Röntgentherapeut mit schütterem Haar und einem hellroten Schnurrbart, der seine Oberlippe verlängerte, war über und über errötet. Sein Lächeln war ein paranoider verschmierter Fleck, und er schien kurz davor umzukippen. Er hatte ein derart grotesk übergroßes schwarzes T-Shirt an, dass es über die Knie seiner Hose hing. Eine gelbe Karikatur auf der Vorderseite porträtierte im Seidensiebdruck eine kräftige, anzüglich grinsende Braut, die eine Leine mit einem Knirps von Bräutigam gepackt hielt, der vor einem Richter und einem drohend aufragenden Galgen auf dem Boden lag. Eine

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