Fleischmarkt
Frauen sogar von den »Reproduktionsmitteln« fernzuhalten. Ausgehend von den Arbeiten von Marx und Engels entwickelt Firestone »eine materialistische Geschichtsbetrachtung […], deren Ausgangspunkt das Geschlecht selbst ist«. Es ist genau diese materialistische Sicht auf Geschlecht und Gesellschaft, die
Fleischmarkt
anbietet. Denn was kann materieller sein als der Körper und die Vorstellung vom Körper?
Fleischmarkt
verschwendet keine Zeit damit, den Feminismus zu entschuldigen oder zu erklären, warum der Feminismus nach wie vor ein notwendiger Strang des Denkens ist, auch fast hundert Jahre nachdem Frauen anfingen, sich mit dem Kampf um das Wahlrecht selbst zu befreien. Andere Bücher, Essays und Aktivistengruppen haben diese Arbeit in den letzten fünf Jahren schon begonnen und das Aufkommen einer neuen Generation von feministischen Kämpferinnen in der westlichen Welt und darüber hinaus begleitet. Im Sinne einer respektvollen Befragung schafft
Fleischmarkt
einen Raum, in dem einige der analytischen Stolpersteine des zeitgenössischen feministischen Denkens untersucht werden können. Zu diesen gehört ein gewisser Mangel im Bereich der materialistischen Analyse, der Aktivitäten im Keim erstickt und Diskussionen im Sand verlaufen lässt. Insbesondere werden die Frage der Sexarbeit und der Stellung transsexueller Frauen innerhalb der Bewegung aufgeworfen, in der Hoffnung, dass der Feminismus alsbald in der Lage sein wird, ein größeres Verständnis der politischen Gesamtsituation und der praktischen Grundlagen der Unterdrückung der Frau zu entwickeln.
Fleischmarkt
ist kein vollständiger Überblick und existiert nicht im luftleeren Raum. Vielmehr ist dieses Buch ein Teil der neuen feministischen Bewegung und verdankt den Schriften von bell hooks, Shulamith Firestone, Andrea Dworkin, Gloria Steinem, Germaine Greer, Nina Power und Naomi Wolf viel. Niemand hat eindringlicher über die Marginalisierung der Frauenkörper in der westlichen Gesellschaft geschrieben als Wolf, deren poetische Beschreibung der »eisernen Jungfrau«, in die Frauen in allen Teilen dieser Welt durch den Körper- und Schönheitsfaschismus gezwungen werden, nur an einer einzigen Zögerlichkeit leidet, nämlich, die Tyrannei von Schönheit und Körperkontrolle mit den weitergreifenden Aspekten von Arbeitskraft, Macht und Beschäftigung in Verbindung zu bringen und die materielle Grundlage des der westlichen Weiblichkeit zugrunde liegenden Konzeptes in Frage zu stellen.
Es ist nicht genug, die körperliche Unterdrückung von Frauen auf sexueller Ebene festzumachen, wie viele feministische Denkerinnen es getan haben. Sexuelle Unterdrückung, Repression und Ausbeutung finden nach wie vor statt, aber sie sind nur einige der Strategien, mit denen die Frauenkörper als Quelle möglicher Rebellion kulturell überwacht werden. Die am Ende des 20. Jahrhunderts durch die weitgehende Akzeptanz von Verhütungsmitteln in weiten Teilen des Westens stattfindende teilweise Loslösung der Reproduktion und der damit zusammenhängenden Arbeit vom Geschlechtsverkehr führte dazu, dass die durch den postfordistischen Kapitalismus ausgeübte Kontrolle über die geschlechtsspezifische Arbeit von Frauen sich über den Bereich des Sexuellen hinaus ins Materielle ausdehnen musste, in die physische und semiotische Struktur von Geschlecht und Körperlichkeit an sich.
Der Spätkapitalismus brandmarkt buchstäblich die Körper von Frauen. Er senkt sein Zeichen schmerzhaft in unser Fleisch, verödet die Wurzeln des Wachstums und sorgt dafür, dass die verschiedenen Meinungen nicht in einen fruchtbaren Dialog treten können. Weiblichkeit an sich ist zur Marke geworden, ein eng gefasstes und reduzierendes Rezept verdinglichter Identität, die zurückverkauft werden kann an Frauen, die von ihrer eigenen Stärke als lebende, liebende und schöpferisch tätige Wesen abgeschnitten sind.
Von dem Moment an, in dem wir alt genug sind, um über uns selbst verfügen zu wollen, wird ein korporativer Abdruck von Weiblichkeit in unser Unterbewusstsein gestempelt und in unsere Hirne gebrannt, der uns daran erinnert, dass wir Vieh sind, Besitztümer, die möglichst konform sein sollen, und dass wir niemals frei sein können.
Nicht alles beginnt mit Sex, aber dieses Buch schon.
1 Gogoi, P., »I Am a Woman, Hear Me Shop«, in:
Bloomberg Business Week
, Februar 2005.
1. Anatomie der modernen Frigidität
»Sex sells. Das ist unsere Rechtfertigung
für alles. Jede Industrie ist
Weitere Kostenlose Bücher