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Florentinerpakt

Florentinerpakt

Titel: Florentinerpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner Verlag
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»Dabei ist er gestolpert und über die Brüstung gestürzt. Es war ein Unfall.«
    »Das ist mir scheißegal«, heulte die Frau auf. »Was allein
zählt ist, dass Winnie nicht mehr lebt und Sie daran schuld sind.«
    Tatjana war in diesem Zustand logischen Überlegungen nicht
mehr zugänglich, musste Palinski erkennen. Er war erstaunt, dass er plötzlich
wieder relativ gefasst war und keinerlei Panik mehr verspürte. Ja, irgendwie
empfand er die Lage, in der er sich befand, anregend.
    Nicht gerade angenehm, aber anregend.
    War es vielleicht möglich, dass man sich an
Bedrohungssituationen wie diese mit der Zeit gewöhnte und schließlich sogar irgendwie
Gefallen daran fand? Pervers, oder? Er nahm sich vor, später darüber
nachzudenken, falls er dann noch in der Lage dazu sein sollte. Jetzt musste er
erst mal versuchen, Tatjana so einzulullen, dass sie aufgab. Er kratzte allen
Mut zusammen.
    »Sehen Sie, heute ist Heiliger Abend«, begann er, »und alle
Menschen feiern ein Fest des Friedens und der Liebe. Wollen Sie sich nicht
setzen und ein Glas Sekt mit uns trinken? Ich bin sicher, wir haben irgendwo
auch noch eine Schachtel von diesen ausgezeichneten Pralinen. Die möchte ich
Ihnen gerne zu Weihnachten schenken.« Er drehte sich um. »Wilma, kannst du die
Pralinen festlich verpacken, bitte.«
    Nicht nur Tatjana starrte den krampfhaft grinsenden Spinner
sprachlos an, aber nur sie wurde wütend.
    Und das richtig. »Was reden Sie da für einen Scheiß daher«,
brüllte sie, »vielleicht soll ich auch noch ›O Tannenbaum‹ mit Ihnen singen.
Sie glauben wohl, ich meine es nicht ernst, Sie Spinner. Ich hasse Schusswaffen
zwar, aber wenn es nicht anders geht, kann ich auch damit umgehen.«
    Sie hob die Pumpgun kurz an und schoss dicht über die Köpfe
der Anwesenden hinweg in die gegenüberliegende Wand. Während sie mit einer
routinierten Handbewegung schon wieder nachgeladen hatte, geschah das, was
Palinski später als ›kleines Weihnachtswunder‹ bezeichnen sollte. Auf ihrem Weg
zur Wand hatte sich der Kopf des ›Griechischen Jungen‹, oder war es nicht doch
vielleicht ein römischer, der Schrottladung mutig in den Weg gestellt und war
dabei in zirka 55 kleine und kleinste Einzelteile zerlegt worden.
    Das war Problemlösung vom Feinsten gewesen, fand Palinski und
überlegte, ob er sich beim Prozess gegen Tatjana nicht für Strafmilderung
einsetzen sollte. Komisch, was einem in solch einer Situation so alles durch
den Kopf schoss.
    »Das war eine reife Leistung«, anerkannte er, »für die ich
Ihnen durchaus dankbar bin. Das Zeug«, er deutete auf die Reste des Kopfes,
»war nur scheußlich. Wow, was für ein Schuss.«
    Komischerweise schien die Ballerei und ihr Ergebnis die
rachsüchtige Frau etwas beruhigt zu haben. Sie lächelte sogar ein wenig und
meinte: »Das war wirklich lustig. Freut mich, wenn es Ihnen geholfen hat. Wenn
Sie auch nicht mehr viel Zeit haben werden, sich darüber zu freuen.«
    Hinter Tatjana hatte sich Harry, der mit seinem Geschäft inzwischen
fertig geworden zu sein schien, unbemerkt angeschlichen. Unmerklich schüttelte
Palinski den Kopf, um mögliche heldenhafte Versuche seines Sohnes zu
verhindern. Vor allem aber musste er jetzt etwas tun, um die Aufmerksamkeit der
Frau voll auf sich zu konzentrieren.
    »Dann werde ich Ihnen jetzt auch etwas zeigen, Tatjana. Wir
haben doch noch ein wenig Zeit, ehe Sie Ihre Ziele realisieren, oder?«
    Er hatte einen Plan, was heißt, eine verrückte Idee, die aber
auf jeden Fall besser war, als nichts tun oder sich dem Schicksal ergeben. Nun
galt es, etwas Zeit zu gewinnen, um aus der Idee einen Plan werden zu lassen.
    »Ich habe einen Freund«, er redete sofort weiter, um der Frau
keine Chance zu geben abzulehnen, »der hat Beziehungen zum Zirkus.« Unmerklich
bewegte er sich rückwärts.
    »Also der Bursche ist so lustig, also so was …«,
quatschte er unentwegt weiter. Er musste es unbedingt schaffen, dass die Blümel
noch einen Meter weiter in den Raum trat.
    »Na egal. Also dieser Freund hat mir einige Tricks gezeigt.
Die möchte ich zumindest einmal selbst ausprobiert haben, ehe es mit mir zu
Ende geht. Das verstehen Sie doch sicher, Tatjana. Oder? Sozusagen der letzte
Wunsch eines Todgeweihten. Morituri te salutant und so weiter.«
    Brandtner, der sich schrecklich ärgerte, seine Dienstwaffe
heute zu Hause gelassen zu haben, musste unwillkürlich lachen. So eine Taktik
der

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