Florian und das Geisterhaus
Florian. Diese Bezeichnung für Theklas Pension mit dem sinnfälligen Namen Schicksal , paßte ihm überhaupt nicht, und er ärgerte sich, nicht sofort widersprochen zu haben. Um seinen Groll zu beschwichtigen, griff er zum Telefon und rief draußen an. Das heißt, zuerst telefonierte er drahtlos voraus. Mit geschlossenen Augen konzentrierte er sich auf Agathe, seine Vertraute. Der Uhrzeit nach hatte sie jetzt sicher in der Küche zu tun, und August, der Hausmeister, war mit den Pferden beschäftigt.
Agathe soll den Hörer abnehmen! sprach er tonlos vor sich hin und sendete telepathische Schwingungen zu ihr. Das war kein Unfug, Florian besaß sensitive Fähigkeiten. Madame Thekla hatte sie ihm selbst bestätigt.
Agathe soll den Hörer abnehmen! wiederholte er stumm, atmete noch einmal tief durch und wählte die Nummer.
Schon nach dem ersten Rufzeichen wurde draußen abgenommen.
„Hallo, mein Lieber!“ sagte eine vertraute Stimme, noch ehe er sich gemeldet hatte. „Soso, zu Tante Lene haben sie dich gesteckt! Hast mich so tapfer verteidigt, wo sie doch nichts zu tun haben will mit mir und meiner Geisterwirtschaft! Und dich will sie auch nicht weglassen. Aber deine Phantasie wird da schon einen Weg finden...“
„Tante Thekla...!“ stammelte Florian. Daß sie alles wußte, verwunderte ihn nicht, wohl aber, daß sie am Apparat war.
„Ich las in der Zeitung, daß heute die Ferien beginnen“, fuhr die Hellseherin fort. „Da habe ich mich mal auf dich konzentriert. Dein Zigarillo ist schon wieder ausgegangen! Laß ihn aus und leg ihn weg, den Stinkstengel . Das ist nichts für uns Sensitive! Und jetzt geb ich dir Agathe, die du ja sprechen wolltest. Ich muß wieder arbeiten. Mach’s gut, Flori ! Aus dem Kühlschrank kannst du alles essen, bis auf den Pudding. Der ist reine Chemie!“
Wer sagt einem so was schon! dachte Florian. Und da redet diese Zigarillowitwe von Geisterwirtschaft!
Es knackte in der Leitung, und Agathe meldete sich. „Hallo, Flori ! Wo steckst du denn? Grad hab ich an dich gedacht.“
„Ich hab dich auch telepathisch angerufen!“ freute er sich und schilderte ihr seine Lage.
Agathe meinte, er solle herauskommen.
„Ich kann Tante Lene nicht enttäuschen, wo sie so toll für mich sorgt“, antwortete er. „Das heißt, ich müßte irgend etwas finden, daß sie mich gern wieder los wird...“
„Dann schau zu, daß du’s bis übermorgen schaffst!“ sagte Agathe. „Da komm ich in die Stadt zum Markt und könnte dich gleich mitnehmen.“
„Wenn mir bis dahin was einfällt.“
„Da hab ich keine Sorge!“ Agathe lachte. Auch sie mußte wieder an die Arbeit und verabschiedete sich herzlich.
Florian legte auf. Mit ihr verstehe ich mich eigentlich am besten! dachte er. Noch besser als mit Jens. Für Parapsychologie hat der zum Beispiel überhaupt keinen Nerv.
Florian rief ihn an. Jens kam sofort mit dem Fahrrad, um zu sehen, wo sein bester Freund die Ferien verbringen würde und fand alles ganz toll.
„Mann, da kannst du ja tun und lassen, was du willst. Dazu der Kühlschrank, und schwerhörig ist die Tante auch noch!“ Jens hatte den Kassettenrecorder voll aufgedreht. „Das nenn ich Klasse-Ferien! Ich muß wieder mit meinen Eltern weg. Na ja, wenigstens zum Skilaufen.“
Florian war von seinem Ferienglück sparsamer begeistert. Er machte überhaupt einen abwesenden Eindruck. Daran änderte sich auch nichts, als Tante Lene den beiden Jungen Eis auftischte. Meist redete sie mit Jens, der nebenbei zwei Zigarillos rauchte, ohne zu husten, und abschließend noch den Pudding verdrückte.
„Dein Freund gefällt mir!“ sagte die Tante, nachdem Jens gegangen war. „Das wird einmal ein Mann!“
Als ob ich eine Frau würde! dachte Florian. Solche Sätze hatte er dick. Stumm räumte er das Geschirr zusammen. Obwohl von der Mutter nicht erwähnt, gehörte das für ihn zu den Pflichten eines Hausgastes. Anschließend ging er auf sein Zimmer und übte Trompete. Aber ziemlich unkonzentriert, so .daß er froh war, als die Tante kam und ihn holte. Im Fernsehen wurde ein Fußballspiel übertragen. Das paßte Florian genau ins Konzept. So war er abgelenkt und mußte nicht reden.
„Vier zu zwei wird’s ausgehen!“ prophezeite die Tante. „Mit Kurt habe ich immer gewettet und meist recht behalten.“
Onkel Kurt, ihr verstorbener Mann, war ein begeisterter Fußballanhänger gewesen, fast schon ein bißchen verrückt.
Während des Spiels futterte Florian köstliche Salate, dazu Pastete
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