Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
gewesen? Hatte der Talisman selbst ihn gerufen? Er vermochte es nicht zu sagen. Alles, was er wusste, war, dass in Alek mehr als der einfache Bäcker schlummerte, der er zu sein schien. Der Umstand, dass der Talisman der Einheit ihn auserwählt hatte, bewies es. Michael vermutete, dass sich in dem Jungen die Fähigkeit des Willformens verbarg, wahrscheinlich in sehr geringem Maße, aber doch ausgeprägt genug, dass der Talisman es spüren konnte. Deshalb hatte er Alek gestattet, ihn zu finden. Michael war überzeugt davon, dass er Alek dazu auserwählt hatte, ihn zurück nach Faerie zu bringen, auf dass er mit seinem wahren Meister wiedervereint würde, dem König der Elben.
Allerdings hatte Michael nicht damit gerechnet, dass sich der so genannte Herr der Toten in Faryn-Gehnah vor Alek verneigen würde, überzeugt davon, dass er einen Willformer mit der Macht vor sich hatte, einen der mächtigsten Flüche seit dem Anbeginn der Welt zu brechen. Dies warf ein völlig neues Licht auf die Dinge. Die Toten erwarteten vom ›Fluchbrecher‹ nicht nur, dass er eines Tages zur Begräbnisstätte zurückkehren würde, sie gingen zudem davon aus, dass er den Talisman der Einheit haben würde. Natürlich konnte sich die Mumie geirrt haben oder wahnsinnig gewesen sein, aber Michael hatte genug von der Wet gesehen, um zu wissen, dass etwas Derartiges in der Regel etwas zu bedeuten hatte. Zumeist etwas Großes.
Und nun war Alek bei Lorn in Ausbildung und erlernte den Umgang mit dem Schwert schneller, als es hätte möglich sein dürfen. Selbst jemand mit einer Begabung für den Schwertkampf brauchte für gewöhnlich länger, um sich die Dinge anzueignen, die Alek bereits fast gemeistert hatte. Michael fragte sich, wie viel davon auf Aleks natürliche Fähigkeiten und wie viel auf das Schwert zurückzuführen war. Die Waffe bereitete dem Einsiedler das größte Kopfzerbrechen. Magische Klingen waren gefährlich und verstärkten das Können eines Menschen nicht selten über dessen natürliche Grenzen hinaus. So etwas musste einen Preis haben. Vermutlich lag die Kampfeslust, die der Junge anscheinend während des Gefechts gegen die Oger entwickelt hatte, am Einfluss des Schwertes. So nützlich solche Waffen sein mochten, oft verdarben sie ihre Besitzer.
Michael wollte das bei Alek nicht mit ansehen müssen. Erst recht nicht, wenn die Hoffnung bestand, dass der Junge die Sieben Gesetze erlernen und ein Willformer werden könnte. Auf der Welt gab es zu wenige verbliebene Willformer und zu viele dunkle Hexer. Salin verkörperte nur einen von vielen, wenngleich einen der mächtigsten. Und es gab kaum noch gleichwertige Willformer, die ihm die Stirn zu bieten vermocht hätten.
Vielleicht doch, in Faerie
.
Allein dieser Gedankte trieb ihn weiter. Das Elbenvolk war über die Jahre hinweg stark geblieben. Michaels Wissen war nie ein Elbe dem Bösen anheimgefallen. Wenn das Volk nach wie vor mächtig wäre, wenn es sein Land nach wie vor mit den uralten Willformungen schützte, die selbst Vorik Seth nicht zu brechen vermochte, dann bestünde noch Hoffnung. Mit dem Talisman der Einheit könnte der Elbenkönig der Bedrohung, die von Salin Urdrokk ausging, vielleicht ein Ende setzen. Womöglich könnte er sogar Armeen erschaffen, die dem Seth gewachsen wären.
Letzteres allerdings bezweifelte Michael. So sehr er es wollte, es gelang ihm nicht, seinen einstigen Glauben wiederzuerlangen. Nur Michael selbst verstand die Wahrheit. Er hatte ihr grauenhaftes Antlitz vor Jahrzehnten kennengelernt, und es hatte jegliche Hoffnung zerschmettert, die er je darauf gehegt hatte, den Sieg gegen die Dunkelheit davonzutragen.
Die Herrscher des Himmels standen auf Vorik Seths Seite. Die Götter selbst verbündeten sich mit dem Bösen.
Der Einsiedler schauderte ob der Vergeblichkeit seines Lebens, seiner heiligen Aufgabe. Sogar das, was er im Augenblick tat, war nutzlos. Er ergriff sein Buch, sein Geschenk von Horren, und drückte es sich an die Brust. In Anbetracht des sich zusammenbrauenden Sturms war es ein geringer Trost, aber es war alles, was er hatte. Mangels eigenen Glaubens suchte er vergeblich Zuflucht im Glauben anderer.
Am nächsten Tag standen sie früh auf und setzten die Reise über die Hügel fort. Das Wetter war kühler als zuvor, und von einem bewölkten Himmel drang graues Licht. Die Luft roch nach Regen, was Alek an so manchen verregneten Tag in Bartambuckel erinnerte. Da es sich um eine Bauerngemeinde handelte, war man dort von
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