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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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sie auf der Hand hätte tragen können. Bunt und kostbar sahen sie aus, diese Häuschen, die glänzenden blauen Flecken der Seen und die Büschel der Wälder. Bald würde die Stadt landen, doch Adeen wusste bereits jetzt, dass er keine Gelegenheit haben würde, sich auf dem Boden umzusehen. Denn nur ausgewählten Personen war es gestattet, Rashija zu verlassen. Eine fast schmerzhafte Sehnsucht stieg in ihm auf, doch er schob sie beiseite. Bei den Schreibern erzählte man sich viele Geschichten darüber, was mit denen passiert war, die versucht hatten, die Stadt unerlaubt zu verlassen.
    Im dritten Stock des Wohnblocks befand sich Rasmis Unterkunft. Mit der Übung vieler Jahre hatte Adeen gelernt, die Stellen auf der Treppe zu meiden, die am lautesten knarrten. Noch immer kam er häufig hierher, meist, um Rasmi etwas zu essen oder ein paar Münzen zu bringen, denn Rasmis kümmerliches Einkommen als Hausmeister des Blocks genügte kaum zum Überleben. Vor langer Zeit hatte Rasmi als Diener für die Oberschicht gearbeitet. So war er damals ins Haus von Adeens Mutter gekommen. Es fiel Adeen schwer, sich den struppigen Rasmi in der Livree eines Bediensteten vorzustellen.
    Die Tür war abgesperrt. Adeen klopfte viermal, das war ihr vereinbartes Zeichen. Kurz darauf hörte er es hinter der Tür rumpeln, dann schlurfende Schritte, der Riegel wurde zurückgeschoben, der Schlüssel im Schloss gedreht, und mit einem leisen Knarren öffnete sich die Tür. Im Spalt wurde Rasmis weißer Haarschopf sichtbar. Zuerst lugte er mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen hinaus, um sich zu überzeugen, dass es auch wirklich Adeen war, aber gleich darauf zeichnete sich Erleichterung auf seinem Gesicht ab.
    »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht!« Rasmi stellte sich auf die Zehenspitzen, schloss ihn in die Arme und presste ihn an sich – er war ein knochiger alter Mann, aber Kraft hatte er immer noch. Adeens angeschlagene Rippen protestierten gegen die rauhe Behandlung, und er biss die Zähne zusammen.
    »Hallo, Rasmi.«
    Kaum dass Adeen eingetreten war, verriegelte Rasmi die Tür hinter ihm wieder. »Wie war dein …« Ehe er den Satz beendet hatte, weiteten sich seine Augen vor Schreck. »Meine Güte, was ist passiert?«
    Adeen hatte sich zwar die Kapuze ins Gesicht gezogen, damit seine Verletzungen nicht gleich auffielen, aber gegen Rasmis scharfen Blick nützte das offenbar nicht viel. »Frag nicht.«
    »War das wieder Charral? Wenn ich den in die Finger …«
    Die Anteilnahme tat Adeen gut. Rasmi bugsierte ihn mit einem freundschaftlichen Stoß auf den Schemel vor seinem Arbeitstisch, wo mehrere Kerzen ihr warmes Licht verbreiteten. »Halt still.« Er streifte Adeen die Kapuze vom Kopf und säuberte sein Gesicht mit einem Lappen, einem Schälchen Wasser und ein wenig Essig. Von einem Moment auf den anderen fiel die Anspannung von Adeen ab. Erst jetzt spürte er, wie erschöpft er wirklich war.
    »Hat er dich noch irgendwo anders verletzt?«
    Rasmi half ihm, die Robe hochzuschieben, und untersuchte seine geprellte Seite. »Du hast Glück gehabt«, befand er schließlich, »der Mistkerl hätte dir auch die Rippen brechen können. Aber tu mir den Gefallen und geh ihm nächstes Mal aus dem Weg!«
    »Was, glaubst du, versuche ich die ganze Zeit?«
    Rasmis Miene verriet Zorn und Hilflosigkeit zugleich. »Ich wollte, ich könnte etwas für dich tun.«
    Fröstelnd streifte sich Adeen die Robe wieder über. Sie war sein wärmstes Kleidungsstück, und auch wenn Rasmi die Fensteröffnungen seines Quartiers mit Lumpen zugestopft hatte, stand ihm sein Atem als weißer Hauch vor dem Gesicht. »Ist nicht nötig.« Aus irgendeinem Grund wollte Adeen nicht über die Frau sprechen, die ihn vor Charrals Dolch gerettet hatte. Er zwang sich, seine Gedanken auf praktischere Dinge zu lenken. »Sag mal … kann ich vielleicht bei dir übernachten?« Er scheute den Weg zu seinem Quartier durch den schneidenden Wind und die Dunkelheit.
    »Nein, Adeen«, erwiderte Rasmi schnell. Überrascht schaute Adeen auf – es war überhaupt nicht Rasmis Art, ihm so einfache Wünsche abzuschlagen. »Nein, es tut mir leid«, wiederholte sein Ziehvater sanfter, »diese Nacht geht es nicht.«
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Es ist alles in Ordnung. Ich muss nur noch … etwas erledigen. Aber einen Tee kann ich dir vorher noch kochen, wenn du magst.«
    »Du musst etwas erledigen? Jetzt, in der Nacht?«
    Rasmi winkte ab. »Ich erzähle dir ein andermal davon. Ruh dich ein bisschen

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