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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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Rucksack liegt achtlos neben seinen Füßen. Heute trägt er zu seinen üblichen Jeans ein weißes T-Shirt, das seine Augen in noch intensiverem Blau erscheinen lässt. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und blickt mich unverwandt an. In seinem Ausdruck kann ich zwar keine besondere Wärme, aber immerhin auch keine Ablehnung entdecken.
    Dafür fühle ich mich, als wäre in meinem Magen gerade ein neuer Vergnügungspark inklusive spektakulärer Achterbahnen eröffnet worden. Gut, ich könnte auch die üblichen Schmetterlinge oder einen Ameisenhaufen als Vergleich heranziehen, aber diese Analogien treffen es noch nicht einmal im Ansatz.
    Zwei Dinge werden mir klar:
    Er wartet definitiv auf mich, denn sonst ist niemand mehr da.
    Und ich werde mit ihm reden müssen, denn er wird mich gleich ansprechen.
    »Hannah.«
    Da ist er, der gefürchtete Moment. Ich muss etwas erwidern.
    »Hi Jan.«
    Vor lauter Verlegenheit wechsle ich den Rucksack von meiner linken auf die rechte Schulter. Ob er erwartet, dass ich etwas Geistreiches sage? Scheinbar nicht, denn er stößt sich von der Wand ab, sodass er direkt vor mir steht.
    »Du hast noch eine Frage offen vom Flaschendrehen auf Miris Party.«
    Stimmt. Und ich war damals unglaublich dankbar für die von Denise initiierte Unterbrechung. Und nun lauert er mir nach der Schule auf, nur um diese Frage einzufordern? Ich hätte eine hübsche Summe darauf verwettet, dass er das schon längst wieder vergessen hat.
    Immerhin bin ich dieses Mal nicht komplett überfordert, im Gegenteil: Jetzt ist er gekommen, der Moment, auf den ich mich mit stundenlanger Internetrecherche vorbereitet habe. Der Augenblick, in welchem ich ihm eine Frage stellen kann, die zeigt, dass ich nicht nur intelligent, sondern auch tiefgründig bin.
    »Bist du noch mit Denise zusammen?«
    Argh, nein! Das war nicht die Frage, die ich stellen wollte! Was für ein verdammt peinlicher Ausrutscher! Woher kam diese unnötige Eingebung? Wozu die ganze Sucherei, wenn ich dann alles durch meine impulsive Unbesonnenheit zunichte mache?
    Wovor hast du Angst?
    Das war die Frage, die aus meiner ganzen Vorbereitung hervorging. Am liebsten würde ich mich unsichtbar machen. Mangels Alternativen versuche ich, meine Augen nicht abzuwenden und so zu tun, als fände ich die Antwort nicht sonderlich interessant.
    Jan überrascht mich ein weiteres Mal.
    Kein finsteres Verziehen seines Gesichtes, kein böses Fixieren, kein höhnisches Schnauben. Er hält nur weiter meinen Blick fest und antwortet ganz ernsthaft: »Nein. Wir haben uns vor den Osterferien getrennt.«
    Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Das ist genau, was ich hören wollte. Jan ist also wieder frei. Möglicherweise war die Frage doch nützlich. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich ihn noch immer schweigend anstarre. Offensichtlich wartet er auf irgendeine Antwort oder zumindest auf eine Reaktion. Leider fällt mir absolut nichts ein. Nach einem weiteren unangenehmen Moment durchbricht Jan die Stille. »Würdest du mit mir ausgehen?«
    Er ist definitiv kein Freund vieler Worte. Wir haben kaum drei Sätze miteinander gewechselt, und er kommt direkt zum Wesentlichen.
    »Ja, wir können gerne mal was unternehmen. Was schwebt dir vor?«
    Diese Antwort war nicht übel. Positiv, locker, aber trotzdem nicht übertrieben begeistert. Außerdem habe ich ihm den Ball wieder zugespielt.
    »Kino. Morgen Abend ist Sneak Preview um 20 Uhr. Ich hole dich ab.«
    So, wie er es sagt, klingt es eher nach einer Feststellung als nach einer Frage, sodass mir gar nichts anderes übrigbleibt als zuzusagen. Nicht, dass ich etwas Gegenteiliges im Sinn gehabt hätte! Jan hebt die Hand und legt sie für einen Sekundenbruchteil auf meinen Oberarm; eine federleichte Berührung, die mir eine Hitzewelle durch den Körper jagt. Er deutet ein Lächeln an, hebt seinen Rucksack vom Boden auf, dreht sich um und geht, während ich bewegungslos zurückbleibe und nicht fassen kann, was eben geschehen ist.
    Noch bevor ich mich wieder gefangen habe, höre ich Schritte, die sich eilig nähern. War die Verabredung nur ein schlechter Scherz auf meine Kosten? Kommt er zurück, um mir zu sagen, dass ich nur veralbert wurde?
    Während ich den Gang beobachte, rechne ich mit dem Schlimmsten und atme auf, als Denise um die Ecke biegt.
    »Du Miststück!«
    Da habe ich mich wohl zu früh gefreut. Da sie ziemlich aufgebracht ist, ziehe ich es vor, erst mal den Mund zu halten und zu hören, was sie mir

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