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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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besprechen, damit uns nicht einer die Idee klaut.«
    John Sommers verabschiedete sich einigermaßen ver– stört von ihr. Zuerst glaubte er, diese Frau sei überge– schnappt, aber je länger er darüber nachdachte, um so mehr Gefallen fand er an dem Abenteuer. Sie riskierte den Ruin, er dagegen bekam sein Geld, selbst wenn das Eis unterwegs zu Wasser würde. Und wenn dieser Wahnwitz Erfolg haben sollte, würde er laut Vertrag einen nicht zu verachtenden Bonus einstreichen. In der Woche, in der die Nachricht von Elizas Verschwinden hochkochte, war er mit schnaufenden Dampfkesseln auf dem Weg zum Gletscher und erfuhr davon erst, als er wieder in Valparaíso anlegte, um die Lebensmittel zu laden, die Paulina vorbereitet hatte, damit sie in einem Nest aus prähistorischem Schnee nach Kalifornien geschifft wur– den, wo ihr Mann und ihr Schwager sie um ein Vielfaches ihres Einkaufspreises loswerden würden.
    Wenn alles so lief, wie sie es geplant hatte, würde sie nach drei, vier Fahrten der »Fortuna« mehr Geld haben, als sie sich jemals erträumt hätte; sie hatte überschlagen, wie lange andere Unternehmer brauchen würden, um ihren Unternehmungsgeist nachzuahmen und ihr mit Konkur– renz lästig zu fallen. Aber was das anging, so würde das Schiff eine Ware tragen, die dem besten Bieter zuge– schlagen werden sollte: Bücher.
    Als Eliza und Mama Fresia am festgesetzten Tag nicht heimkamen, schickte Miss Rose den Kutscher mit einem Briefchen zum Stadthaus der del Valles, um zu erfragen, ob die Familie noch auf der Hazienda sei und ob es Eliza gutgehe. Eine Stunde später stand die Frau Agustín del Valles aufgeregt vor ihrer Tür. Sie wisse nichts von Eliza, sagte sie. Die Familie habe sich aus Valparaíso nicht weggerührt, weil ihr Mann mit einer Gichtattacke das Bett hüte. Sie habe Eliza seit Monaten nicht gesehen. Miss Rose brachte genügend Selbstbeherrschung auf, um sich rasch einen Schwindel auszudenken: sie habe sich da geirrt, entschuldigte sie sich. Eliza sei bei einer anderen Freundin, sie habe das verwechselt, sie danke ihr sehr, daß sie es auf sich genommen habe, persönlich zu kommen… Señora del Valle glaubte ihr kein Wort, wie zu erwarten war, und noch bevor Miss Rose ihren Bruder Jeremy in seinem Kontor hatte benachrichtigen können, wurde Eliza Sommers’ Flucht in ganz Valparaíso genüßlich herum– gereicht.
    Den Rest des Tages verbrachte Miss Rose mit Schluch– zen und Jeremy mit Verdächtigungen. Als sie Elizas Zimmer inspizierten, fanden sie ihren Abschiedsbrief und lasen ihn immer wieder, suchten darin vergeblich nach einem Anhaltspunkt. Sie wußten auch nicht, wo Mama Fresia sein könnte, und da wurde ihnen klar, daß die Frau achtzehn Jahre für sie gearbeitet hatte und sie nicht einmal ihren Nachnamen kannten. Sie hatten sie nie gefragt, woher sie stammte oder ob sie Familie hatte.
    Mama Fresia gehörte wie die übrigen Dienstboten ins unbestimmte Reich der nützlichen Geister.
    »Valparaíso ist nicht London, Jeremy. Sie können nicht sehr weit gegangen sein. Wir müssen sie suchen.«
    »Ist dir klar, was das für einen Skandal gibt, wenn wir anfangen, bei den Freunden herumzufragen?«
    »Was schert uns, was die Leute sagen! Das einzig Wichtige ist, Eliza bald zu finden, ehe sie in irgendwelche Geschichten hineingerät.«
    »Offen gesagt, Rose, wenn sie uns auf diese Weise verlassen hat, nach allem, was wir für sie getan haben, dann hat sie bereits Probleme am Hals.«
    »Was meinst du damit? Was für Probleme?«
    »Ein Mann, Rose. Das ist der einzige Grund, weshalb ein Mädchen eine Dummheit von solcher Größenordnung begeht. Du weißt das besser als irgend jemand sonst. Bei wem könnte Eliza sein?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Miss Rose hatte sehr wohl eine Ahnung. Sie wußte, wer verantwortlich war für diese schreckliche Kopflosigkeit: jener Bursche mit dem finsteren Blick, der vor Monaten ein paar Frachtstücke ins Haus gebracht hatte, Jeremys Angestellter. Sie kannte seinen Namen nicht, aber sie würde ihn herausbekommen. Sie sagte jedoch ihrem Bruder nichts davon, denn sie glaubte, noch sei es Zeit, das Mädchen aus den Fallen ihrer unmöglichen Liebe zu retten. Mit peinlichster Genauigkeit erinnerte sie sich an jede Einzelheit ihres eigenen Erlebnisses mit dem Wiener Tenor, der Kummer darüber war noch immer nicht ganz ausgestanden. Sie liebte ihn nicht mehr, das gewißlich nicht, sie hatte ihn sich vor Jahrhunderten aus dem Herzen gerissen, aber es genügte, seinen

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