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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Namen zu flüstern, und schon schlug in ihrer Brust eine Sturmglocke an. Karl Bretzner war der Schlüssel zu ihrer Vergangenheit und zu ihrer Persönlichkeit, die kurze Begegnung mit ihm hatte ihr Schicksal bestimmt und die Frau aus ihr gemacht, die sie heute war. Wenn sie sich jemals wieder so verlieben sollte wie damals, dachte sie, würde sie genau das gleiche tun, auch wenn sie wußte, wie sehr diese Leidenschaft ihr Leben verbogen hatte.
    Vielleicht würde Eliza mehr Glück haben und die Liebe für sie gut ausgehen; vielleicht war ihr Geliebter frei und hatte keine Kinder und keine verlassene Ehefrau. Sie mußte das Mädchen finden, den verdammten Verführer stellen, die beiden zwingen, zu heiraten, und dann Jeremy die vollendeten Tatsachen präsentieren, die er schließlich hinnehmen würde. Es würde schwierig sein bei der starren Haltung ihres Bruders, wenn es um die Ehre ging, aber da er ihr verziehen hatte, würde er auch Eliza verzeihen können. Ihn zu überreden würde ihre Aufgabe sein. Sie hatte nicht so viele Jahre die Rolle der Mutter gespielt, daß sie jetzt müßig bleiben sollte, wenn ihre einzige Tochter einen Fehler beging, entschied sie.
    Während Jeremy sich hinter einem so eigensinnigen wie würdevollen Schweigen verschanzte, das ihn freilich nicht vor dem einmal entfesselten Klatsch schützte, schritt Miss Rose zur Tat. Schon nach wenigen Tagen hatte sie Joaquín Andietas Namen herausgefunden und erfuhr entsetzt, daß es sich um nichts weniger als einen Flüchtling vor der Justiz handelte. Er wurde beschuldigt, die Buchhaltung der British Trading Company gefälscht und ihr Ware gestohlen zu haben. Sie begriff, um wie vieles ernster, als sie gedacht hatte, die Dinge lagen: Jeremy würde ein solches Individuum niemals im Schoß seiner Familie dulden. Schlimmer noch, sobald er seinen ehemaligen Angestellten erwischen konnte, würde er ihn ganz sicher ins Gefängnis schicken, selbst wenn der Unglücksmensch dann bereits mit Eliza verheiratet sein sollte. Es sei denn, ich finde die Form, in der ich ihn zwingen kann, die Beschuldigungen gegen diesen Mistkerl zurückzuziehen und seinen Namen reinzuwaschen, zu unser aller Wohl, zischte Miss Rose wütend.
    Zuerst mußte sie die Liebenden finden, danach würde sie dann sehen, wie sie das übrige in Ordnung bringen konnte. Sie hütete sich, etwas von ihrer Entdeckung verlauten zu lassen, und in den folgenden Tagen fragte sie hier und forschte da, bis in der Buchhandlung Santos Tornero die Mutter von Joaquín Andieta erwähnt wurde. Sie bekam ihre Adresse ganz einfach, indem sie in den Kirchen nach– fragte; wie sie vermutet hatte, kannten die katholischen Priester ihre Schäfchen.
    Am Freitagmittag suchte sie die Frau auf. Sie war von Hochmut erfüllt, von gerechter Entrüstung beseelt und entschlossen, dieser Person ein paar Wahrheiten zu sagen, aber ihr Schwung fiel mehr und mehr in sich zusammen, je weiter sie in die krummen Gäßchen dieses Viertels vordrang, in die sie vorher nie einen Fuß gesetzt hatte. Sie bereute, daß sie gerade dieses elegante Kleid gewählt hatte, bedauerte, den allzu üppig geschmückten Hut aufgesetzt und die weißen Halbstiefel angezogen zu haben, und fand sich zum Schluß gar lächerlich. Sie klopfte an die Tür, von einem Gefühl der Scham verwirrt, das zu schlichter Demut schrumpfte, als sie Andietas Mutter sah. Ein so krasses Bild der Verwüstung hatte sie sich nicht vorgestellt. Das war ja ein Nichts von einem Frauchen mit fiebrigen Augen und traurigem Gesicht. Sie kam ihr vor wie eine Greisin, aber als sie sie genauer ansah, begriff sie, daß diese arme Person noch jung und einmal schön gewesen war, und ganz ohne Zweifel war sie krank. Die Frau war über ihr Erscheinen nicht erstaunt, sie war es gewohnt, daß reiche Damen zu ihr kamen und ihr Näharbeiten oder Stickereien auftrugen. Sie gaben ihre Adresse untereinander weiter, deshalb war es nicht außergewöhnlich, daß eine unbekannte Dame vor ihrer Tür stand. Diesmal war es eine Ausländerin, das konnte man an diesem schmetterlingsbunten Kleid sehen, keine Chilenin würde es wagen, sich so anzuziehen. Sie begrüßte sie ohne Lächeln und bat sie herein.
    »Nehmen Sie doch bitte Platz, Señora. Was kann ich für Sie tun?«
    Miss Rose setzte sich auf die Kante des angebotenen Stuhls und brachte kein Wort heraus. Alles, was zu sagen sie sich vorgenommen hatte, verpuffte und machte einem bedingungslosen Mitleid Platz mit dieser Frau, mit Eliza und mit sich selbst,

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