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Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)

Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Objekt der Verehrung, wandte den Kopf nach links und nach rechts und gestattete ihnen, mehr von seinem Gesicht zu sehen als nur das Profil – und während einer dieser huldvollen Gunstbezeugungen sah er Erika in der Menge. Sie lächelte, und er
war geneigt, sie ebenfalls anzulächeln, da sie das Geschöpf mitgebracht hatte, das von Harker hervorgebracht worden war und ihn vor Chamäleon gerettet hatte, obgleich dieser zwergenhafte Mutant im Moment nirgends zu sehen war.
    Jetzt betraten sie einen Gang mit Wänden aus nasskalter Erde, die schimmerten wie lackiert, und das rief in ihm die Erinnerung an die nasskalte Erde klaffender Gräber wach, auf einem Gefängnisfriedhof vor langer Zeit, wo er am Rande der Grube mit dem Henker geschachert hatte. Es rief in ihm die Erinnerung an die nasskalte Erde von Massengräbern wach, an denen er im Lauf der Jahre an zahlreichen Orten auf der ganzen Welt gestanden hatte, wenn die Scharfrichter ihm die Erlaubnis gegeben hatten, aus der dem Untergang geweihten Schar diejenigen herauszupicken, für die er bei seinen Experimenten Verwendung haben könnte. Wie dankbar ihm die Geretteten immer waren, bis zu dem Moment im Labor, wenn ihnen klarwurde, warum sie verschont worden waren, und dann verfluchten sie ihn und waren in ihrer Blödheit unfähig zu würdigen, was für eine Chance er ihnen gegeben hatte – die Gelegenheit, in die Geschichte einzugehen. Er nahm sie hart ran und machte das Beste aus ihnen, ob als Arbeiter oder als Forschungsobjekte. Kein anderer Wissenschaftler, der jemals gelebt hatte, hätte auch nur halb so gute Verwendung für sie finden können. Und daher war der Beitrag, den sie für die Nachwelt leisteten, wesentlich bedeutender als alles, was sie selbst aus eigenem Antrieb aus sich hätten machen können.
    Aus dem Gang mit den Wänden aus Erde gelangten sie in einen äußerst ungewöhnlichen Tunnel. Über ihren Köpfen, keine dreißig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, erstreckte sich eine sehr einfallsreiche Collage aus zerdrückten Chipstüten, unzähligen Cornflakes-Packungen, plattgedrückten Suppendosen, Schachteln, die früher einmal
Antihistamine und Zäpfchen und Abführmittel enthalten hatten, wüsten Knäueln ausgefranster Schnüre, einem ausgelatschten Pantoffel, rot-weiß-blauen politischen Plakaten, die das Wahlrecht, die Notwendigkeit zu wählen und die Wahlpflicht proklamierten, einer verdreckten platinblonden Perücke, zertrümmerten Skeletten von Ratten, die schon lange tot waren, einer roten weihnachtlichen Lamettagirlande, die sich wand wie eine Boa, und einer Puppe mit eingedrücktem Gesicht, das eine Auge starr blickend, die andere Augenhöhle leer.
    Nach dem Puppengesicht verlor er die lackierte Montage, an der er vorbeigetragen wurde, aus den Augen und sah stattdessen tausend Gesichter, die aus seinem Gedächtnis exhumiert wurden, zerstörte Gesichter und erschrockene Gesichter und blutige Gesichter und Gesichter, die zur Hälfte vom Knochen zurückgeschält waren, die Gesichter von Männern und Frauen und Kindern, jenen, die er für seine Zwecke benutzt und einem so guten Gebrauch zugeführt hatte, und es waren nicht nur tausend, sondern zweitausend, Unmengen. Sie machten ihm keine Angst, sondern erfüllten ihn mit Verachtung, denn er verabscheute die Schwachen, die sich von ihm benutzen ließen. Sie faszinierten ihn aber auch, weil es ihn schon immer fasziniert hatte, dass es in seiner Macht stand, anderen zu der Erkenntnis zu verhelfen, dass sie nichts weiter als Fleisch waren, sie ihrer brüchigen Schutzmechanismen zu berauben, ihres Vertrauens in die Gerechtigkeit, ihrer kindlichen Illusion, sie spielten eine Rolle, ihres Irrglaubens an einen Sinn, ihrer idiotischen Religiosität, ihrer Hoffnung und sogar ihrer persönlichen Identität, bis sie am Ende nichts als Fleisch sein wollten, gedankenloses Fleisch, des Lebens überdrüssig.
    Als die Gesichter aus der Vergangenheit nicht mehr sturzbachartig über ihn hereinbrachen, stellte er fest, dass
er aus dem Gang in eine Kammer getragen worden war, deren Boden sich wie eine Schüssel wölbte. Das schien ihr Ziel zu sein, denn hier hielten sie an. Als sie ihn von ihren Schultern hoben und ihn auf seine Füße stellten, stand er entgeistert da, weil jedes Gesicht in der Menge jetzt das eines Fremden war. »So viele Gesichter«, sagte er, »sind vor wenigen Momenten wie wirres Laub durch meinen Geist geweht worden … Jetzt kann ich mich an keines von ihnen erinnern und auch nicht

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