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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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abzugeben und noch an diesem Abend die Stadt, die ihm so sehr zuwider war, zu verlassen.
    Man wies ihn auf seine Fragen nach einem abgelegenen kleinen Hause, in welchem die größte Ruhe und Stille herrschte. Ein Diener führte ihn in ein schön verziertes Gemach, in welchem ein ehrwürdiger alter Mann saß; er war derselbe, an welchen der Brief gerichtet war. »Ich freue mich«, sagte der Greis, »wieder einmal Nachrichten von meinem lieben Freunde Pirkheimer zu erhalten; aber verzeiht, junger Mann, meine Augen sind so schwach, daß Ihr so gut sein müßt, mir selber das Schreiben vorzulesen.«
    Franz schlug den Brief auseinander und las unter Herzklopfen, wie Pirkheimer ihn als einen edlen und sehr hoffnungsvollen jungen Maler rühmte, und ihn den besten Schüler Albrecht Dürers nannte. Bei diesen Worten konnte er kaum seine Tränen zurückdrängen.
    »So seid Ihr ein Schüler des großen Mannes, meines teuren Albrechts?« rief der Alte wie entzückt aus, »o so seid mir von Herzen willkommen!« Er umarmte mit diesen Worten den jungen Mann, der nun seine schmerzliche Freude nicht mehr mäßigen konnte, laut schluchzte und ihm alles erzählte.
    Der Greis tröstete ihn mit liebevollen und verständigen Worten und beide setzten sich freundlich und vertraut nahe zueinander. »O wie oft«, sagte der alte Mann, »habe ich mich an den überaus köstlichen Werken dieses wahrhaft einzigen Malers ergötzt, als meine Augen noch in ihrer Kraft waren! Wie oft hat nur er mich über alles Unglück dieser Erde getröstet! O wenn ich ihn doch einmal wiedersehn könnte!«
    Franz vergaß, daß er noch vor Sonnenuntergang die Stadt hatte verlassen wollen; er blieb gern, als ihn der Alte zum Abendessen bat. Bis spät in die Nacht mußte er ihm von Albrechts Werken, von ihm erzählen, dann von Pirkheimer und von seinen eigenen Entwürfen. Franz ergötzte sich an diesem Gespräch und konnte nicht müde werden, dies und jenes zu fragen und zu erzählen, er freute sich, daß der Greis die Kunst so schätzte, daß er von seinem Lehrer mit gleicher Wärme sprach.
    Sehr spät gingen sie auseinander und Franz fühlte sich so getröstet und so glücklich, daß er noch lange in seinem Zimmer auf und ab ging, den Mond betrachtete, und an großen Gemälden in Gedanken arbeitete.

Fünftes Kapitel
    Wir treffen unsern jungen Freund vor einem Dorfe an der Tauber wieder an. Er hatte einen Umweg durch das blühende Frankenland gemacht, um einige Meilen von Mergentheim seine Eltern zu besuchen. Er war als ein Knabe von zwölf Jahren zufälligerweise nach Nürnberg gekommen und auf sein inständiges Bitten bei Meister Albrecht in die Lehre gebracht; wenige Bekannte und wohlhabende weitläuftige Verwandte ließen ihm einige Unterstützung zufließen, die er aber kaum bei seinem großmütigen Meister bedurfte. Es war schon lange gewesen, daß er von seinen Eltern, schlichten Bauersleuten, keine Nachricht bekommen hatte.
    Es war noch am Morgen, als er vor dem Wäldchen stand, das sich vor dem Dorfe ausbreitete. Hier war sein Spielplatz gewesen, hier hatte er oft in der stillen Einsamkeit des Abends voll Nachdenken gewandelt, indem die Schatten dichter zusammenwuchsen und das Rot der sinkenden Sonne tief unten durch die Baumstämme äugelte, und mit zuckenden Strahlen um ihn spielte. Hier hatte sich zuerst sein Trieb zur Kunst entzündet, und er trat in den Wald mit einer Empfindung, wie man einen heiligen Tempel betritt. Er hatte vor allen einen Lieblingsbaum gehabt, von dem er sich oft kaum hatte trennen können; diesen suchte er jetzt eifrig mit zunehmender Rührung auf. Es war eine dicke Eiche mit vielen weit ausgebreiteten Zweigen, welche Kühlung und Schatten gaben. Er fand den Baum, er war in seiner alten Schönheit, und der Rasen am Fuße desselben noch ebenso weich und frisch als ehemals. Wie vieler Gefühle aus seiner Kindheit erinnerte er sich an dieser Stelle! wie er gewünscht hatte, oben in dem krausen Wipfel zu sitzen und von da in das weite Land hineinzuschauen, mit welcher Sehnsucht er den Vögeln nachgesehn hatte, die von Zweig zu Zweig sprangen und mit den dunkelgrünen Blättern scherzten, die nicht wie er nach einem Hause rückkehrten, sondern im ewig frohen Leben, von glänzenden Stunden angeschienen, die frische Luft einatmeten und Gesang zurückgaben, die das Abend- und Morgenrot sahen, die keine Schule hatten und keinen strengen Lehrer. Ihm fiel alles ein, was er vormals gedacht hatte, alle kindischen Begriffe und Empfindungen

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