FreeBook Das Geheimnis von Mikosma - Geblendet
darauf ansprach, sahen die mich mit großen Augen an. Sie dachten wohl, ich ticke nicht ganz richtig. Auf ihren Karten flogen alle Pikale stolz durch den Wasserfall der Wahrheit!«
Leandra war außer sich vor Sorge und ließ sich auf einen großen Stein, der in der Nähe des Aufzuges stand, fallen. Alle Kinder waren bereits nach unten transportiert worden. Da Henry und Luca nicht wussten, wie sie Leandra trösten sollten, setzten sie sich neben sie und Henry legte seinen Arm um Leandras Schultern.
»Wir sind bei dir. Wir helfen dir, so gut wir können.«
Bevor sich Leandra bei ihnen bedanken konnte, erschien Alphata in der noch offen stehenden Türe und fixierte die kleine Gruppe. Sofort sprangen Henry und Luca auf und standen vor der Lehrerin stramm. Auch Leandra erhob sich zögerlich. Sie hatte zu viel Angst, Alphata in die Augen zu sehen. Diese schickte ihre zwei Freunde mit sanfter Stimme nach unten und bat sie, dort auf Leandra zu warten. Dann winkte sie das Mädchen zu sich und die beiden verschwanden in den dunklen Schlossgängen. Während Alphata energisch durch die langen Flure schritt, huschte ihr Leandra lautlos hinterher. Das Schloss war sehr geschmackvoll eingerichtet. Alte hölzerne Truhen mit Ornamenten und Schnitzereien säumten die langen, mit Fackeln erleuchteten Flure. Wertvolle seidene Wandteppiche, die von der Decke bis hin zum Boden reichten, zeigten Szenen von Alphatas Unterricht. Auf einem huschten Kinder durch die langen Bankreihen und setzten sich flink auf ihre Plätze. In gespannter Erwartung auf das Eintreten ihrer Lehrerin sahen sie sich um und winkten Leandra aufgeregt zu. Leandra war so überrascht von den sich bewegenden Teppichen, dass sie ebenfalls spontan die Hand zum Gruß hob. Ein Teppich gefiel Leandra ganz besonders. Darauf scharten sich vier Kinder um ein Buch, das sie auf den Boden gelegt hatten. Die zwei Jungen und Mädchen hatten es sich auf einem warmen, flauschigen Fell bequem gemacht und studierten in der Bauchlage das Geheimnis des Buches. Ihre Hände hatten sie unter ihr Kinn gelegt. Sie sahen so vertraut miteinander aus, dass Leandra fast neidisch wurde. Auch sie wollte sich zu dieser Gruppe gesellen und wissen, welch spannender Inhalt sich hinter diesen Seiten versteckte. Der Junge war anscheinend schneller als die anderen und sah Leandra lächelnd an. Sie erwiderte scheu den Blick. Als auch das vierte Kind fertig war, blätterte der Junge die Seite um. Gedankenversunken saugten sie den Inhalt der nächsten Buchseite in sich auf. Über den hölzernen Schlosstüren, die in die vielen Zimmer führten, hatte die Lehrerin Portraits streng blickender Männer und Frauen angebracht. Sie sahen Leandra mit forschendem Blick an und eine Dame mit Spitzenkragen, Brille auf der Nase und streng zusammengebundenem Schopf hob mahnend den Zeigefinger. Leandra blickte beschämt zu Boden.
»Wenn die ebenfalls wissen, dass ich zu spät gekommen bin, ist das sicher bald Gesprächsthema Nummer eins auf Mikosma«, murmelte sie resigniert und schämte sich umso mehr für ihr Versäumnis.
Alphata verlangsamte ihre Schritte, denn sie beobachtete aus ihren Augenwinkeln heraus, dass Leandra nicht wohl zumute war.
»Das sind ehemalige Lehrer, die ich einst an die Schule berufen hatte, um Gastunterricht zu erteilen. Alle haben sich in dieser Galerie verewigt. Sie stammen aus erlesenen Eliteschulen und haben dort ausgezeichnete Zensuren erhalten«, erklärte Alphata stolz.
»So sehen sie auch aus«, dachte Leandra genervt und glaubte zu sehen, dass die Lehrerin ihre Gedanken erahnt hatte, denn sie verkniff sich ein zustimmendes Lächeln.
Auf dem letzten Bild war ein junger Mann in einem schwarzen Frack abgebildet. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen, breiten Hut, um den ein lilafarbenes Band gebunden war. Während Alphata an ihm vorbei schritt, verzog er keine Miene, doch sobald sie um die Ecke verschwunden war, blinzelte er das Mädchen an und drückte ihm die Daumen. Leandras Miene erhellte sich, sie wagte es jedoch nicht, ihm unter dem strengen Blick der alten Dame mit Spitzenkragen für seine freundliche Geste zu danken.
»Er hätte wegen seines schelmischen Grinsens Magier Relaxus' Bruder sein können«, schoss es Leandra durch den Kopf, als sie den nächsten langen Korridor betrat.
An seinen weißen Wänden befanden sich keine Bilder oder Teppiche. Lediglich Fackeln in eisernen Halterungen erhellten diesen Gang. Wie von Geisterhand geschrieben, erschienen schwarze, große
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