Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
1. Kapitel
    W enn er jemals einen Namen gehabt hatte, so hatte er ihn vergessen.
    Wenn er jemals Eltern gehabt hatte, so erinnerte er sich nicht an sie.
    Wenn er jemals geboren worden war, so wusste er nicht mehr, wann.
    Weiß.
    Seine Welt war weiß und kalt, von einem grausamen, alles verzehrenden Weiß, das seine Augen blendete und alles auslöschte, was seine Hände nicht ergreifen konnten, und einer noch grausameren Kälte, die wie mit gläsernen Fängen in seine Glieder biss, jeden Schritt zu einer Qual machte und seine Lungen mit Messerklingen füllte.
    Da waren Sturm und Lärm und eine vage, tanzende Bewegung überall und das vollkommen sichere Wissen, dass er sterben würde, wenn er seinen geschundenen Körper auch nur noch zu einigen wenigen weiteren Schritten zwang. Aber auch das noch viel sicherere Wissen, zu sterben, wenn er stehen blieb. Er wollte weder das eine noch das andere, aber vor allem wollte er eines: leben.
    Der Wind drehte sich, und die Bö, gegen die er sich gerade noch mit aller Kraft gestemmt hatte, traf ihn nun von der Seite, und das mit solcher Wucht, dass er noch einen ungeschickten Schritt weiterstolperte und dann schwer in den Schnee hinabfiel. Seine Gelenke knackten wie dünne Äste, die unter dem Fuß eines Riesen zerbrachen, und ein dumpfes Stöhnen kamüber seine Lippen. Kaltes Feuer wühlte in seinen Händen, aber er zog auch auf seltsame Weise Kraft aus diesem Schmerz.
    Er stand auf, hob die Hand ans Gesicht und fühlte langes, zu eisigen Strähnen erstarrtes Haar und glatte Wangen, auf denen noch nie ein Bart gesprossen war. War er noch ein Junge?
    Er lauschte in sich hinein, suchte nach einer Antwort auf diese Frage und sah schließlich an sich hinab, als er sie nicht fand.
    Was er erblickte, schien eher auf das Gegenteil hinzudeuten. Er spürte nach wie vor, wie jung er noch war, erblickte jedoch den Körper eines Mannes, groß, schlank und dennoch von kräftigem Wuchs. Er trug derbe, aber zweckmäßige Kleider: schwere wollene Hosen, gefütterte Stiefel aus feinem Leder, das weich und anschmiegsam aussah, in der Kälte aber zur Härte von Metall erstarrt war, und ein ebenfalls gefüttertes Wams, das von einem breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Eine lederne Scheide war daran befestigt, in die vielleicht ein kleines Schwert gehörte, vielleicht auch ein sehr großer Dolch. Er trug keinen Mantel, und seine tastenden Finger fanden auch keine Kopfbedeckung. Der Sturm musste ihn in dieser unpassenden Kleidung überrascht haben; oder etwas anderes – Schlimmeres – war geschehen.
    Angestrengt grub er in seiner Erinnerung, fand aber nichts als Leere und ein Gefühl vager Enttäuschung, das vielleicht zu einem Schmerz geworden wäre, hätte er ihm die Zeit dazu gegeben.
    Aber jetzt war nicht der Moment, über seine Vergangenheit nachzudenken. Wenn er das zu Unzeiten tat, dann hatte er vielleicht keine Zukunft mehr. Irgendwo vor ihm lauerte eine Gefahr, unsichtbar und verborgen im Sturm, aber so dräuend, dass er beinahe meinte, sie mit Händen greifen zu können.
    War er es gewohnt, zu kämpfen? Er wusste es nicht. Seine rechte Hand war zu der leeren Scheide an seinem Gürtel gekrochen, ohne dass er sich der Bewegung auch nur bewusst gewesen wäre, was möglicherweise darauf hinwies. Aber auch für solcherlei Überlegungen war jetzt keine Zeit.
    Er war noch immer fast blind, auf jeden Fall aber orientierungslos, bekam aber dennoch allmählich ein Gefühl für seine Umgebung. Er war in den Bergen. Obwohl die brüllenden Schleier rings um ihn herum nicht für einen Moment aufrissen, spürte er das gewaltige Massiv in seinem Rücken. Manchmal tauchten verschwommene Umrisse aus dem weißen Toben vor ihm auf, Felsen mit harten Flächen, die sich unter schimmernden Eispanzern verbargen und mit Graten scharf wie Axtklingen, aber auch Bäume mit blattlosen dürren Ästen, die sich erfrorenen Fingern gleich in den Sturm zu krallen schienen.
    Er wich beidem aus, mochten sie doch wilden Tieren oder auch Feinden als Hinterhalt dienen; ein Gedanke, der ihm inmitten dieses tobenden Höllensturmes fast lächerlich vorkam, den er aber trotzdem sorgsam registrierte, um ihn später in aller Ruhe abzuklopfen, weil er vielleicht einen weiteren Hinweis auf seine Identität enthielt.
    Er stolperte weiter, prallte schließlich doch gegen einen Felsen und wäre um ein Haar gestürzt, und als er sein Gleichgewicht wiederfand, sah er die Fährte.
    Es war nur ein Stück einer Spur, ein einzelner, aber

Weitere Kostenlose Bücher