Fremde
einem Terraner eine intime Beziehung aufnimmt. Innerhalb einer Dekade oder noch mehr Jahren. Deshalb ist es so wichtig. Vielleicht passiert es niemals wieder. Siehst du das nicht ein? Du bist in einer besseren Position, mehr über sie zu erfahren, als jeder einzelne dieser Mission. Du mußt mir einfach helfen!«
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte Farber und stand auf, Ferris Protest beiseite fegend, um zu gehen.
Er hatte bereits den sechsten Schritt getan, wenn er es auch noch nicht gemerkt hatte.
7
Am nächsten Morgen stand Farber sehr früh auf und zog, einem obskuren Instinkt folgend, seinen besten Anzug an. Liraun lag in dem großen Bett und beobachtete ihn. Ihre Augen folgten ihm bei seinen Gängen durch das Apartment. Sie erhob sich nicht, um ihm das Frühstück zu bereiten, wie sie es gewöhnlich tat, und er bat sie auch nicht darum. Sie sprach kein Wort. Ihre Miene war undurchdringlich. Farber war genauso schweigsam. Er zog sich so rasch wie möglich an, wenn er auch keineswegs in Eile war – er wollte einfach ihrem geduldigen, nachdenklichen Blick entfliehen. Ihre Augen drängten ihn keineswegs; daher konnte er sie nicht ertragen. Das fahle, rötliche Licht Feuerfraus schien durch die Jalousien, traf polarisierte Staubkörnchen in der Luft, warf Strahlen auf die gegenüberliegende Wand. In diesem gnadenlosen Licht wirkte das terranische Mobiliar schäbig und billig – Plastik, maschinengefertigt, was es in der Tat auch war. Alles war glatt, präzise, künstlich. Nur Liraun war echt. Ohne sich zu regen oder zu sprechen, blieb sie das lebendige, vibrierende Zentrum des Raumes. Die Wohnung war voll von ihrer Gegenwart, von ihrem warmen, moschusartigen Duft. Sie war der wichtige Faktor, verlieh dem Raum die Gültigkeit, die er besaß, ohne sie wäre alles wie eine Kulisse – flach und unreal. Er zog den Mantel über und ging rasch fort.
Draußen war es sehr kalt. Farber schritt schnell über die breiten Straßen der terranischen Enklave, die Hände in den Taschen; seine Schritte verursachten ein hohles Klickklack; der Atem gefror zu Wolkenfetzen. Sonst war niemand unterwegs. Feuerfrau tauchte aus den grauen Nebelschwaden hin und wieder auf, und Rauhreif glitzerte überall. Auf beiden Seiten erhoben sich terranische Gebäude, vorgefertigte Glas-und-Plastik-Schachteln, abstoßend deplaziert. Sie wurden von üppigen Hainen schwarzer Federbäume umgeben, der halbherzige Versuch eines Architekten, der nur den Kontrast verstärkte. Irgend etwas Verborgenes sang in das kalte Morgenschweigen hinein – es hörte sich an wie ein Vogel, war aber eine Eidechse. Einige der Laternen – wieder nur terranische Fremdkörper – brannten noch, wirkten gegen den grauen Himmel eitel und auf traurige Weise sinnlos. Er gelangte zu der hohen Mauer, die die Enklave umgab. Was wollen sie damit draußenhalten? dachte er. Mit einer Mauer? Er passierte den schlafenden Wächter in seiner Glaskabine und ging nach Aei hinein. Hier waren die Straßen anstatt mit Asphalt mit Porzellan gepflastert, und als er die horizontverschluckende terranische Skyline hinter sich ließ, thronte die Altstadt auf ihrem Obsidianfelsen über ihm, als hinge sie mitten in der Luft.
Zweimal blieb er stehen und wandte sich um. Einmal verfolgte er seinen Weg mit den Augen zurück, ungefähr eine halbe Meile zur Enklave, bis ihn Scham und Unentschiedenheit abhielten, ihn wieder umwandten und ihn auf sein ursprüngliches Ziel zustolpern ließen. Er konnte es nicht – er konnte nicht zurückgehen und ihr sagen, er habe Angst davor, daß die Heirat nicht klappen würde. Sie würde nicht weinen, ihm keine Vorwürfe machen – sie würde es mit geduldiger Verzweiflung akzeptieren, und das war es, was er nicht ertragen konnte, dem er nicht gegenübertreten wollte. Wenn er zurückging, könnte er niemandem mehr unter die Augen treten: Keane mit seiner wütenden Verachtung, Jacawen mit dem kalten Zorn, Kathy mit ihrem adretten, selbstzufriedenen Glauben, er würde unvermeidlich zu ihr zurückkehren. Keiner von ihnen glaubte, er würde das durchziehen, und wenn er es ihnen nicht bewies, wenn sie recht behalten sollten, wäre das der Todesstoß für die letzten Reste seines Stolzes. Es war die letzte dünne Membran zwischen ihm und einem gähnenden Abgrund von Nutzlosigkeit; er spürte diesen Abgrund ganz deutlich, die Tiefe des Falles, der ihn erwartete. Daher ging er weiter, verkrampft, mit grauem Gesicht, wie ein schlechter Automat.
Er nahm die
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