Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
Vom Netzwerk:
so. Die Cian sind gefährlich, weil sie den Menschen äußerlich so ähnlich sind, verglichen mit anderen Aliens, auf die wir gestoßen sind, so daß wir meinen, es sind Leute mit Schminke und Fellkostüm, die wir für Menschen halten und auf dieser Ebene mit ihnen kommunizieren – aber sie sind keine Menschen, und es liegt eine beträchtliche Gefahr darin, wenn wir mit ihnen so umgehen, als ob sie das wären. Es sind Fremde, mit fremdartigen Denkprozessen, die von den unsrigen sehr verschieden sind, trotz der oberflächlichen Ähnlichkeit. Es gibt so wenige Gemeinsamkeiten, daß wir besser fahren, wenn wir sie als Tiere betrachten – oder auch als Monster –, anstatt so zu tun, als seien sie Menschen.«
    »Sie sind menschlich genug, um mit ihnen schlafen zu können«, schnappte Farber, ohne nachzudenken, und errötete dann bis an die Ohren.
    »Sex!« schnarrte Ferri. »Man kann sie also bumsen – na und? Unten auf der Erde bumsen die Leute Ziegen, Schafe, Hunde, Pferde, Kühe … macht das eine Kuh menschlich, weil man sie vögeln kann? Du bist genauso schlimm wie diese Idioten von der Co-Op. Jeden Tag sehe ich, wie sie ihrer Rolle gerechter werden – sie werden zu Agenten der britischen East-India-Company, und die Cian sind die verlotterten Eingeborenenhorden, stimmt’s? Stimmt’s? Sie nennen sie sogar schon Nigger, selbst die Leute, die einen echten Schwarzen niemals so nennen würden – selbst die Schwarzen nennen sie so, zum Teufel! Kolonialismus, das ist es. Wir alle bilden uns ein, die Erde sei eine Kolonialmacht, und demnach sind die Cian zurückgebliebene Wilde, denen wir die Wohltaten der Zivilisation nahebringen. Aber die Cian sind kein zurückgebliebenes Volk, trotz der Karren und der Handarbeit und der barbarischen Pracht und alldem – sie waren Mitglieder der Handelsallianz schon Tausende von Jahren, ehe wir aufkreuzten, und die Enye zumindest halten von ihnen eine Menge mehr als von uns. Und dennoch behandeln wir sie wie Stammeshäuptlinge aus Indien oder Afrika im neunzehnten Jahrhundert und nennen sie Nigger. Weil wir sie zu kennen glauben, aber das tun wir nicht. Ich tue es nicht. Du tust es nicht.«
    »Vielleicht kenne ich sie ein wenig besser als andere«, meinte Farber ruhig, doch mit einer Spur Verachtung.
    »Vielleicht auch nicht. Sie haben nicht einmal den selben Zeitbegriff wie wir. Sind nicht so darauf bedacht, Zeit als eine lineare Sache zu betrachten. Verben in ihrer Sprache kennen keine Fälle, nur Aspekte oder Validitäten wie bei den Hopis. Man kann sagen ›erinnert essen‹ oder ›essen erwartet‹ aber nicht ›er aß‹ oder ›er wird essen‹. Zum Teufel, bei der Co-Op sollten sie keine Menschen unseres Schlages haben, die mit diesen Wesen Kontakt halten. Wir sind fehl am Platze für diesen Job, vollständig deplaziert. Sie hätten Asiaten schicken sollen, Indianer, Polynesier, Eskimos, selbst Buschmänner oder Uraustralier – jemanden, der zumindest eine Chance hätte, die Cian zu begreifen.«
    »Du kennst die politische Situation zu Hause«, sagte Farber achselzuckend.
    »Ja, das tue ich«, knurrte Ferri. Einen Moment lang schwieg er. Dann fuhr er fort: »Frauen haben in dieser Gesellschaft eine sehr merkwürdige Rolle. Du lebst mit einer, heiratest sie vielleicht! Willst du nicht mehr über sie erfahren? Willst du nicht eine faire Chance, die Motive deiner eigenen Frau besser zu verstehen? Ich verstehe sie jetzt nicht. Auch du nicht. Unverheiratete Frauen sind Eigentum ihres Vaters. Verheiratete sind zumindest anfangs Eigentum des Mannes. Kein Status, wenig Rechte. Das Bild einer patriarchalischen Gesellschaft. Aber so bleibt das nicht. Irgendwie wechseln einige Frauen den Status und dringen direkt bis zur Spitze vor. Sie werden fast verehrt. Wieso passiert das? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß eine Frau zeit ihres Lebens bis zu dreimal ihren Namen wechselt. Der Name deiner Frau lautet Je Genawen, glaube ich mich zu erinnern. Stimmt’s? Das bedeutet ungefähr: gehört Genawen, ihrem Vater. Wenn sie dich heiratet, wird sie Je Farber heißen, ob du es glaubst oder nicht: ›gehört Farber‹. Wenn sie den Statussprung macht, wie auch immer das geschieht, wird ihr Name zu ›gehört zu …‹, wie immer auch der Name ihrer ersten weiblichen Ahnen lautete. Was soll dieser Unsinn? Ich weiß es nicht, aber du könntest mir helfen, es herauszufinden.« Er legte die Hand mit eingeübter Ernsthaftigkeit auf Farbers Arm. »Joe, das ist das erste Mal, daß eine Cian mit

Weitere Kostenlose Bücher