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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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wußte es.
    Die Scham, die Farber fühlte, als er aus dem Büro trat – das war der vierte Schritt.
     
    Es war schon Spätnachmittag, als er die Enklave erreichte; daher stoppte Farber bei der Kantine der Co-Op, um etwas zu trinken. Er fand an der Bar Dale Brody, bereits auf dem Weg zum stinkenden, bewußtlosen Besäufnis. Der Traubenwein der Co-Op mußte so gut wie üblich gewirkt haben, weil sich Brody nach ein paar Minuten des Schweigens und Trinkens mit kalter Schulter zu Farber beugte und mit rauher, übelriechender Stimme sagte: »Nigger kann man vögeln, aber doch nicht heiraten! Wir heiraten zu Hause unsere Nigger auch nicht!«
    Farber ballte seine große Faust – fühlte sich wie ein Typ in einem altmodischen Film, tat es aber dennoch – und schlug Brody zwei Zähne aus.
    Das war der fünfte Schritt.
     
    Als sich Farber schließlich wieder in seinem Büro meldete, wartete eine Notiz auf ihn, die besagte, er solle bei Dr. Anthony Ferri, dem Ethnologen der Co-Op, vorbeischauen.
    Ferri war ein phlegmatischer, zurückhaltender Mann, doch seine kühle Zurückhaltung war eine Maske für einen gierigen Ehrgeiz, der in Keane schon vor Jahren zu Schlacke verbrannt war. Er arbeitete für die Co-Op, aber gleichzeitig machte er Feldarbeit für Cornell – eigentlich befaßte er sich nur mit Feldarbeit für Cornell, so hätte er selber es formuliert, wenn man ihn in redefreudiger Stimmung antraf –, und alle Träume konzentrierten sich auf die wunderbaren Monographien, die er veröffentlichen würde, die Bücher, die er schreiben würde, die Honorare, die er verdienen würde, Stipendien und Lehrstühle, Vorlesungsreisen und Besitz. Er wollte berühmt werden, respektiert, ein Riese auf seinem Gebiet. Das war seine eine Leidenschaft; alles andere mußte dafür sublimiert werden. Und es war möglich, daß er seinen Traum in Realität umwandelte. Er war ein ausgezeichneter Kopf, hatte eine enorme – wenn auch sehr spezialisierte – Bildung und genügend Praxis, um zu wissen, daß er in jeder Minute seines Aufenthaltes auf »Lisle« wie ein Dämon arbeiten mußte, wenn er jemals seine Ambitionen erfüllt sehen wollte. All dies stand auf der Habenseite in seinem Hauptbuch. Auf der Sollseite stand seine Persönlichkeit. Die meisten fanden ihn kalt, distanziert und unfreundlich. Eigentlich war er ein recht geselliger Typ, und wenn er sie überhaupt bemerkte, mochte er Leute auch aufrichtig. Aber er bemerkte sie nur selten – er war zu absorbiert von seiner Arbeit, zu gehetzt durch das Gefühl, die Zeit verrinne und bringe ihn seinem Ziel nicht näher. Er war schweigsam bis zu dem Punkt, wo es beleidigend werden konnte. Das lag aber hauptsächlich daran, daß er zu den meisten Dingen nichts zu sagen wußte. Aber wenn er glaubte, ein wenig Kommunikation würde seiner Karriere förderlich sein, und insbesondere, wenn ein Thema der Diskussion in seinen Fachbereich fiel, konnte er plötzlich einnehmend, beredt, enthusiastisch, überzeugend und sogar gewandt werden.
    An diesem Abend war er das alles.
    Er wollte, daß Farber für ihn arbeitete. Genauer gesagt, wollte er Farber als Forschungsassistenten, der die Daten sammelte, an die er selbst nicht herankam. Ferri war zu kalt – wenn er dies auch gegenüber Farber nicht so ausdrückte –, um mit den Cian wirklich auf freundschaftlichem Fuß stehen zu können, bei ihnen zu Hause eingeladen zu werden; er hatte es versucht, auf seine schmeichelndste Weise und mit all den professionellen Tricks, die er beherrschte, aber man hatte ihn zurückgewiesen – mit der typischen cianischen Höflichkeit, aber entschieden. Das bedeutete, daß in Shasine einige Türen ihm auf immer verschlossen bleiben würden. Aber Farber hatte sogar eine intime Beziehung mit einer Cian, und wenn er, wie der Klatsch es besagte, sie heiraten würde, bestand die Möglichkeit, daß er sogar enger zur cianischen Gesellschaft zugelassen würde. Ferri, der sah, daß Farber wütend wurde, gab hastig zu, daß es ihm egal sei, ob Farber Liraun heiratete oder nicht, aber wenn er es täte – wenn er es wirklich täte … Der Job wäre auch nicht sehr anstrengend, erklärte Ferri, er müsse hauptsächlich die Augen offenhalten, heimlich Gespräche aufzeichnen – Ferri zog ein Armband heraus, das einen Microminiaturrecorder verbarg – und das Material Ferri geben. Nur die einfachen Daten. Er brauchte es nicht zu analysieren oder seine Schlüsse daraus zu ziehen. Das würden Ferri und seine semantischen und

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