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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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und breitete die Karte auf dem großen Schreibtisch aus. Während er die Wasserwege durch die Fens studierte - breite und schmale, wie viele verliefen kreuz und quer durch das Land! -, verfolgte er den Verlauf des Flusses Welland, der, das sah er nun, durch Spalding floß. Bis hin zum Wash.
    »Was? Sie sind ... also, so was sagt man ja ungern. Aber Sie sind verrückt«, meinte Ian Bannen in seinem Büro in Lincoln. »Man zögert, aber es muß heraus: Sie sind verrückt, Mr. Jury.« Dann folgte ein freudloses Lachen.
    »Das glaube ich nicht. Überlegen Sie doch mal in Ruhe. Wenn man Emery kennt, ist es vollkommen logisch. Er ist hier aufgewachsen und kennt die Wasserwege.«
    »Peter Emery ist blind, Mann. Und wenn es auch durchaus möglich ist, daß ein Blinder einen Menschen erdrosselt, wie soll er ihm mitten ins Herz schießen? Und offenbar auch noch beim ersten Versuch?«
    »Aber ich habe ja gar nicht gesagt, daß er sie erschossen hat.«
    Bannen war mucksmäuschenstill, während Jury erklärte, was er meinte. Dann sagte er: »Vielleicht sind Sie doch nicht vollkommen verrückt. Wir brauchen eine Stunde dorthin. Und wehe, Sie unternehmen etwas, bevor wir da sind.«
    Die Drohung war gespielt, das wußte Jury. Ban-nens Stolz war verletzt. Natürlich dachte der Mann, er hätte es erkennen müssen; er war schließlich auch an all den Flüssen, Kanälen und Entwässerungsgräben hier aufgewachsen - an all dem Wasser. Er hatte ja genau wie Jury den Stechkahn gesehen, der am Cottage lehnte. »Verlassen Sie sich drauf, Chief Inspector, ich will auch gar nichts unternehmen.« Jury legte auf. Schmerzhaft durchfuhr ihn der Gedanke an Zel. Und als sei der Name eine Zauberformel, ertönte plötzlich eine Befehlsstimme. Er drehte sich um.
    »Sie müssen zum Abendessen bleiben! Ich habe jede Menge gekocht!«
    Es war Zel. Sie hatte einen Holzlöffel in der Hand und trug eine von Parkers weißen Schürzen, die kilometerlang und mehrmals umgerollt war, damit sie nicht stolperte. Die Zipfel schleiften hinter ihr her wie eine Schleppe.
    »Zel! Was machst du denn hier?« Dann fiel ihm ein, daß sie kommen sollte, um den Nachtisch zuzubereiten. Nur wenige Male in seinem Leben war er so froh gewesen, jemanden in Sicherheit zu sehen wie jetzt Zel in Toad Hall.
    Parker trug auch eine lange weiße Schürze. Er wedelte mit seinem Tranchiermesser wie mit einem Krummsäbel. »Jetzt wird's ernst, Superintendent. Sie müssen bleiben!«
    Jury lachte. »Ich hoffe, das Messer brauchen Sie nicht, um das Lamm zu schlachten.«
    »Warten Sie, bis Sie meinen Nachtisch gekostet haben! Schokoladensouffle!« Als Zel wieder in die Küche lief, dachte Jury, daß Dorcas schon allein deshalb hätte kochen lernen müssen, damit sie nicht von einem zehnjährigen Kind überflügelt wurde. Mit fliegenden Schürzenzipfeln und flammendem Rotschopf rannte Zel über die Marmorfliesen des riesigen leeren Raums.
    Rapunzel, dachte Jury. Kein anderer Name kam in Frage.
42
    Jury und Bannen standen am Deich in der Nähe mehrerer Flußarme, die komischerweise »The Cots«, die Bettchen, hießen. Unweit der Stelle, wo die Leiche Verna Dunns gefunden worden war, schauten sie hinaus auf den Wash, auf den Schlick, den Sand und die Wassermassen, zur Nordsee. Bannen hatte den Dienstwagen neben der Fosdyke Bridge geparkt. Den Rest des Weges waren sie gelaufen. Warum, wußten sie beide nicht. Wenn jemand sie gefragt hätte, hätten sie sicher gesagt, es sei der Schauplatz eines Verbrechens und dorthin ziehe es einen bekanntlich immer wieder zurück.
    »Trostlos, stimmt's?« sagte Bannen. »Oder friedlich, je nachdem, wie man sich selbst gerade fühlt.«
    »Erzählen Sie mir doch bloß, wie er entdeckt hat, daß es Verna Dunn war! Nach all den Jahren?«
    »Sie hat sich leider einmal versprochen. An dem Wochenende, als sie in Fengate war, hat sie ihn natürlich besucht. Die Verna Dunns dieser Welt lassen nichts und niemanden in Ruhe. Emery sagt, sie hätten dagesessen und über die Entenjagd gesprochen und darüber, ob Peter schon mal Stahl- statt Bleigeschosse ausprobiert hätte. Sie wissen schon, man soll das Wasser nicht mit Blei vergiften. Da kam auch wieder das schreckliche Unglück zur Sprache. Verna Dunn hat sich ganz dumm versprochen. Sie hat zu Peter gesagt, er hätte nicht diese >dunkle Barbour-jacke< tragen sollen, weil ihn deshalb andere Jäger nicht hätten sehen können. Aber die hatte er sich erst einen Tag zuvor gekauft. Sie war neu. Und Verna konnte es nur wissen,

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