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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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Seine Worte bewiesen, daß er die feste Absicht hatte, meine Gastfreundschaft anzunehmen.
    Paul kam uns entgegen, und unsere achtjährige Tochter Patience lief hinter ihm her. Wenn Paul zu Hause ist, kommt er stets heraus, wenn er den Wagen hört; angeblich, um die Pakete in Empfang zu nehmen. Ich behaupte jedoch, daß der männliche Zweifel an weiblicher Fahrkunst dahintersteckt: Für Beulen und Kratzer hat er einen scharfen Blick. Er öffnete die Wagentür, entdeckte meinen Fahrgast und zögerte. Ich hoffte, Paul würde dem gleichen Irrtum verfallen wie ich, aber der Bursche schaute ihm gerade ins Gesicht, und so entdeckte Paul den Bart. Er fuhr zurück und zeigte die schroffe Ablehnung, die die jungen Leute unserer Generation so sehr verübeln.
    Ich suchte zu vermitteln: »Paul, das ist David Hepburn. Er ist Student und sucht einen Job. Ich dachte, daß Peter oder der Colonel vielleicht froh über einen Helfer wären. Ich habe ihn eingeladen, bei uns zu übernachten, bis wir für ihn etwas gefunden haben.«
    Das war ein richtiges Geschnatter, aber ich wollte das alles gesagt haben, bevor Paul die Länge der Haare festgestellt hatte. Sie waren jetzt trocken und locker und weniger auffällig als zuvor, als sie wie ein nasser Umhang bis über den Rücken fielen. Paul zögerte, und ich konnte erkennen, wie in seinem Innern die gute alte Gastfreundschaft der Neusiedler (Gib jedem was zu essen und, wenn nötig, ein Bett für die Nacht!) mit einem stillen Widerwillen gegen diese Haar- und Barttracht im Kampf lag. Der Neusiedler behielt die Oberhand. »Das ist eine gute Idee«, meinte er. »Aber wo seid ihr euch denn begegnet?«
    Das war eine kitzlige Frage. Es war nicht der rechte Augenblick für das Geständnis, daß ich einen Anhalter aufgelesen hatte. Ich fand es auch albern zu erklären, daß mich das nasse lange Haar getäuscht hatte. Leichthin sagte ich: »Ach, das war ein Zufall. Ich erzähle es dir später.«
    In diesem Moment trat David ins volle Licht der Scheinwerfer, und Paul fuhr entsetzt vor dieser Erscheinung zurück. »Mein Gott!« sagte er. Da er aber von Natur aus ein höflicher und freundlicher Mensch ist, tat er so, als habe ihn der Anblick meiner Pakete zu diesem Ausruf veranlaßt. »Wenn Frauen einkaufen, braucht man eigentlich einen Schubkarren«, sagte er witzig. »Aber wenn Sie auch einen Teil übernehmen, David, können wir’s auf einen Schlag bewältigen. Sind Sie in Te Rimu zu Hause?«
    Ich spürte, daß David eine empörte Ablehnung auf den Lippen hatte, und fuhr schnell dazwischen: »Nein, nein, er ist nur durch den Ort gebummelt. Er hat gerade sein Examen gemacht. Jetzt möchte er Geld verdienen und auf Reisen gehen.«
    Paul nahm meine Vorstellung nachsichtig hin. Aber David war kaum im Badezimmer verschwunden, da fauchte er mich grimmig an: »Wo in aller Welt hast du denn dieses Subjekt aufgelesen?«
    Jetzt war die Stunde der Wahrheit gekommen. Ich versuchte, das Lachen zu unterdrücken, und legte mein Geständnis ab. »Ich sah ihn auf der Straße im Regen stehen, aber nur von hinten. Die nassen Haare sahen so mitleiderregend aus, und erst, als er schon einstieg, erblickte ich sein Gesicht und merkte, daß ich verbotenerweise einen Mann aufgenommen hatte. Das war wohl ein arger Fehler, aber du hättest ihn selbst begangen, wenn du David nur von hinten gesehen hättest. Trotzdem — er scheint ein anständiger Kerl zu sein. Ein bißchen selbstbewußt, aber das sind heutzutage die meisten. Er sucht wirklich Arbeit. Vor kurzem erst sagte der Colonel, er müsse sich wohl nach einem Landstreicher (so drückte er sich aus) umsehen, und wenn es nur für einen Monat wäre.«
    Paul lachte. »Das Gesicht von dem Alten möchte ich sehen, wenn er diesen Landstreicher erblickt. Aber du hast jetzt doch nicht die Courage, ihn hinzubringen und vorzustellen.«
    Er hatte recht; den Mut besaß ich nicht. Deshalb meinte ich: »Ich könnte den Colonel heute abend anrufen und ihm von David erzählen.«
    »Aber erzähle ihm dann auch von den Haaren und dem Bart! Es ist nicht zu fassen, worauf die jungen Leute verfallen!«
    Das ist die aufrichtige Meinung unserer Generation, aber ich hatte doch noch etwas einzuwenden. »Lange Haare und Bärte gibt’s jetzt überall. Über einen kurzen Haarschnitt macht man sich höchstens lustig. In Wahrheit seid ihr jetzt die Absonderlichen. Die Normalen sehen wie David aus!«
    Bei dem Gedanken, zu den Absonderlichen zu gehören, flammten Pauls Augen empört auf, aber da

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