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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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die man sich selbst gegraben hatte – und die herablassenden, verachtungsvollen Enye mit ihrer groben Art machten es dem terranischen Ego bestimmt nicht leicht –, dann ließ uns gerade diese Scham nur noch härter arbeiten und höhere Ambitionen entwickeln, um sie auszutilgen. Und dazu gehörte es vor allem, besser zu feilschen als die anderen. Von einem Tag zum anderen hatte die »Offenbarung des Schicksals« wieder eine Bedeutung. Man glaubte mit einem naiven, fast religiösen Optimismus an diese »Offenbarung«, wie es ihn als ernstzunehmende politische Kraft seit der halbvergessenen, betrauerten fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr gegeben hatte. Es war eine neue Zeit der Räuberbarone, in der jene Mächte aus der dritten Welt, die früher am meisten unter dem Kolonialismus gelitten hatten, nun am begierigsten darauf waren, hinauszuziehen und sich ihr eigenes Kolonialreich in den Himmel zu schneiden.
    Nach einer langen Phase des Atheismus lebte Gott wieder, und Gott half all denen, die sich selbst halfen.
    Wie viele seiner Zeitgenossen – besonders jene, die als Heranwachsende hohe Punktzahlen in den Eignungsprüfungen erreichten und denen daher der Dienst bei der Co-Op offenstand – entwickelte sich Farber zu einem hartgesottenen, selbstsicheren jungen Mann. Als er das richtige Alter für den Weltraum hatte, waren die süßen imperialistischen Träume der Erde schon etwas bitterer und weniger strahlend geworden, aber Farber blieb unberührt von allem Pessimismus. Vielleicht war er noch starrköpfiger und arroganter als die Mehrheit seiner Generation – vielleicht war er auch einfach nur jung. Auf jeden Fall war er hartgesotten, voller Ambitionen und naiv, und das ist in allen Kulturen und in jedem Alter schon immer eine ungesunde Mischung gewesen.
    Farber verbrachte die letzte Nacht, bevor er sich auf dem Raumhafen melden mußte, an der Theke einer kleinen Dorfkneipe in Zirndorf. In der Luft hing ein Geruch nach Sauerkraut und verschüttetem Bier, während Farber den schmutzigen Witzen und albernen Saufliedern seiner Klassenkameraden zuhörte und dem alten, halbblinden Schäferhund des Wirtes zusah, der mit seinem staubigen Schwanz gegen die Theke wedelte und seine Hundeträume einer Hundejugend träumte. Gegen Mitternacht raffte sich Farber inmitten des allgemeinen Aufbruchs auf, wich geschickt zwei seiner Klassenkameraden aus, die neben dem Kickerautomaten auf dem Fußboden einen Ringkampf veranstalteten, während die Wirtin mit einem nassen Mob nach ihnen schlug und der uralte Schäferhund wehmütig knurrte, und rettete sich hinaus in die Nacht.
    Die eisige weiße Armee der Sterne war aufmarschiert, und während er unter ihnen herlief, fühlte sich Farber fast schon zu groß für diese Nacht, für die schmale Kopfsteingasse unter seinen Füßen. Groß und wild und neu fühlte er sich, bis zum Bersten mit Leben angefüllt wie ein Schlauch voll mit lebendigem grünen Wasser, von blinden Energien durchtobt, die ihn heiß und glühend in dem kalten, ländlichen Schweigen zurückgelassen hatten. Mit unsicherem Schritt suchte er sich seinen Weg durch die schlafenden Straßen hinaus über die herbstlichen Stoppeln der Felder (nun unter den Füßen Dreck und hartgefrorene Ackerfurchen), bis es ihn schließlich hinab in die ausgetrocknete Flußniederung trieb. Schwarz und still war es hier, die Lichter des Städtchens weit hinter ihm, nur das blasse, blinkende rote Auge des Wasserkraftwerks weiter stromab erinnerte ihn an die Zivilisation. Der Grund fiel hier zum Fluß hin ab, und schließlich verschwanden auch die Lichter des Kraftwerks hinter dem nahen Horizont und ließen ihn allein in der Dunkelheit zurück. Er konnte den Fluß jetzt hören, ein wei ches, zahnloses Gemurmel von Wasser. Brusthöhe, scharfe Halme umgaben ihn, raschelten, knisterten und richteten sich hinter ihm wieder auf. Dicker schwarzer Schlamm quatschte unter den Schuhen, und es roch nach Mist, nasser Erde und Feuchtigkeit. Er hatte den Mittelpunkt aller Dinge erreicht, und hier war es dunkel, feucht und still – und er war hier ganz allein. Er war der einzige, der einzige, den es gab und je gegeben hatte, auf der Erde und unter dem Himmel …
    Ein Gespenst explodierte vor seinen Füßen aus dem Gras in den Himmel, breitete als grauer Schatten seine Arme vor die Sterne und war verschwunden. Farber kämpfte erschrocken um sein Gleichgewicht, von der Überraschung ernüchtert. Wieder eine Gespensterexplosion, und eine

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