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Frevelopfer

Frevelopfer

Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Beklemmung.
    »Kannst du nicht einschlafen?«, flüsterte Teddi im Dunkeln.
    »Bist du wach?«, fragte sie erstaunt.
    »Schön, dich wieder zu Hause zu haben«, sagte Teddi.
    Elínborg gab ihm einen Kuss und kuschelte sich an ihn. Sie wusste, dass ihr ein kurzer und rastloser Schlaf bevorstand.
    Sie musste an Theodóra denken.
    »Was für eine Arbeit ist das, Mama?«
    Dahinter steckte eine andere, eine größere und wichtigere Frage über die Welt, die sich ihrer Tochter zu eröffnen begann und ihr Ängste bereitete. In was für einer Welt lebe ich?
    Elínborg schloss die Augen.
    Sie sah Addý vor sich, wie sie aus der Mulde am Fluss hochkroch und voller Angst Ausschau hielt nach dem Mann, der ihr Gewalt angetan hatte. Ob er zurückkehren und noch einmal über sie herfallen würde? Aus dem Gemeindehaus drangen immer noch die Klänge der Tanzmusik herüber. Sie hatte nur den einen Gedanken, nach Hause zu kommen, ohne dass sie jemandem begegnete. Sie wollte nicht gesehen werden, niemand durfte etwas erfahren, sie wollte niemandem sagen, was geschehen war. Sie schloss die Türen und Fenster, sank auf einen Stuhl in der Küche und wiegte sich vor und zurück. Sie versuchte, das Widerwärtige zu verdrängen, sie weinte und zitterte, sie weinte, weinte.
    Elínborg vergrub ihr Gesicht im Kissen.
    Irgendwo in weiter Ferne hörte sie ein Geräusch, so als würde leicht an eine Tür geklopft. Sie sah eine kleine Faust in der Luft. Lilja stand vor Eðvarðs Haustür, Runólfur öffnete sie.
    »Ach, ist … Wohnt nicht Eðvarð hier?«
    Runólfur sah sie an und lächelte. Er blickte sich um, ob sie allein gekommen war, ob jemand sie beobachtete.
    »Doch«, sagte er. »Er ist nur auf einen Sprung weg und kommt jeden Augenblick zurück. Möchtest du nicht auf ihn warten?«
    Lilja zögerte.
    »Ich wollte …«
    »Er ist bestimmt in ein paar Minuten wieder da.«
    Lilja blickte aufs Meer. Akranes war in der Ferne zu sehen. Sie vertraute den Menschen. Sie hatte keine schlechten Erfahrungen gemacht, sie war gut erzogen.
    »Komm doch rein«, sagte Runólfur.
    »In Ordnung«, sagte sie.
    Elínborg sah die Tür vor sich, die sich hinter ihnen schloss, und schlief schließlich mit einer einzigen Gewissheit ein – sie würde sich nie wieder öffnen.

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