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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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denken? Ich habe einen Brief von Uncle Sam bekommen …«
    »Ich bin schwach im Rätselraten.«
    »Du denkst, wir spielen immer noch, nicht wahr? Nein, Brüderchen, das Spiel ist aus. Beschreibe deine Abenteuer, die Agentur, deine Mission und was du willst. In ein paar Wochen hast du ausgesorgt fürs ganze Leben, es wird garantiert ein Bestseller. Und niemand wird dir deswegen auch nur ein Haar krümmen. Nur beeilen mußt du dich, damit dir die Burschen von der Agentur nicht zuvorkommen. Vielleicht sitzen sie schon an ihren Memoiren aus einer verflossenen Zeit …«
    »Was ist denn passiert?«
    »Alles. Hast du mal von Soft Wars gehört?«
    »Nein.«
    »Und von Core Wars ?«
    »Sind das Computerspiele?«
    »Na siehst du, du weißt es doch! Ja, es sind Programme, die alle anderen Programme vernichten. Das ist schon in den achtziger Jahren erfunden worden. Damals war es reine Dummheit, Spielerei von Programmierern. Infektion integrierter Schaltkreise nannte man es, ein Unterhaltungsspiel. Dwarf, Creeper, Raider, Reaper, Darwin und eine Menge anderer. Ich weiß nicht, warum ich hier sitze und dir einen Vortrag über die Pathologie der Rechentechnik halte! Was mich das an Gesundheit gekostet hat! Ich sollte dich anködern, und jetzt bin ich so gütig, dir Bildung zu vermitteln, statt mich um einen neuen Job zu kümmern!«
    »Der Onkel hat dir den Brief per Hubschrauber geschickt? Gibt es demnach kein Postwesen mehr?« fragte ich. Ich witterte in alledem immer noch eine Hinterlist. Gramer nahm sein Scheckheft heraus und krakelte etwas quer über ein Formular, das er zu einem Pfeil faltete und mir auf den Schoß fliegen ließ.
    »Dem Missionar zum Andenken an seine treue Adelaide«, las ich.
    »Damit vertreiben wir uns jetzt die Zeit?« fragte ich und sah ihn an.
    »Was anderes ist nicht übriggeblieben. Der Onkel läßt natürlich auch dich grüßen. Ein Postwesen gibt es nicht mehr, es gibt überhaupt nichts mehr. Nichts!« Er schlug mit dem Arm einen Kreisbogen. »Vor zwei Stunden ist es losgegangen, ich sage es dir doch! Es lohnt sich nicht einmal, nach Schuldigen zu suchen. Auch dein Professor ist bereits arbeitslos, ein so gutmütiger alter Herr! Bloß gut, daß ich mir noch rechtzeitig ein Haus gekauft habe. Ich werde Rosen züchten, eventuell auch Gemüse anbauen, da es ja wieder zum Austausch Ware gegen Ware kommt. Das Bankwesen ist bei der Gelegenheit auch in die Binsen gegangen. Mir wird schwül …«
    Er fächelte sich mit dem Scheckheft Luft zu, dann sah er es voller Widerwillen an und warf es in den Papierkorb.
    »Pax vobiscum«, sprach er. »Et cum spiritu tuo. Hol’s der Teufel!«
    Mir begann etwas zu dämmern. Seine Verzweiflung war nicht gespielt.
    »Diese Viren …?« fragte ich bedächtig.
    »Du wirst scharfsinnig! Jawohl, mein wackerer Missionar. Du hast alles kurz und klein geschlagen. Du warst es ja, der dieses listige Pulver auf die Erde gebracht hat. Man kann dir jetzt den Friedensnobelpreis verleihen oder dich wegen allgemeinen Hochverrats an die Wand stellen. Den Nobelpreis solltest du dir nicht einbilden, aber ein Platz in der Geschichte ist dir sicher. Nur werden in den nächsten Jahren die Fetzen fliegen in dem Streit, ob die Seuche, die du eingeschleppt hast, heilsam oder verderblich war. Aber du wirst in jedem Lexikon stehen.«
    »Vielleicht in deiner Gesellschaft?« bot ich ihm an, denn ich hatte zwar noch nicht völlig begriffen, was für eine Katastrophe sich abgespielt hatte, war aber sicher, daß Gramer nichts vortäuschte. Dafür hätte ich beide Hälften meines armen Kopfes hingegeben.
    »Es gab mal ein Programm unter dem Kryptonym ›Worm‹ – das Würmchen.« Gramer sprach phlegmatisch, beinahe gelangweilt. »Du mußt wissen, daß ein ordentlicher Fachmann auf meinem Gebiet inzwischen Hochschulbildung braucht. Die Zeiten sind vorbei, daß man nur eine hübsche Frau zu sein und mit jemandem ins Bett zu steigen brauchte, um ihm Dokumente zu klauen, sie im Badezimmer abzulichten und schleunigst am nächsten Treff abzuliefern. Nein, erst mußt du deinen Doktor der Mathematik und der Informatik machen, dann kommt die höhere Spezialausbildung – du hast das halbe Leben rum, ehe du überhaupt anfangen kannst.«
    »Als Spion?«
    »Spion!« sagte er, ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen und zuckte verächtlich die Achseln. »Spion!« wiederholte er und ließ die dunkelblauen, weißgestirnten Hosenträger einige Male gegen die Brust schnellen. »Rede doch kein dummes Zeug«,

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