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Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Titel: Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Miller
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als der Bericht fertig war, haben sie ihre Besitztümer getrennt und zusammengepackt. Er brauchte kaum eine Stunde, um seine in seiner Truhe zu verstauen. Héloïse mit ihren Büchern und Hüten, ihren Haarnadeln, Pantoffeln und Bändern, brauchte eine Stunde länger, obwohl es vielleicht auch schneller gegangen wäre, wenn nicht Marie in Tränen aufgelöst auf dem Bett gesessen und jede Viertelstunde mit der Aussicht auf Ziguettes Rückkehr hätte getröstet werden müssen.
    Er hat nicht die Absicht, Ziguette Monnard zu sehen, nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Natürlich ist es auch unwahrscheinlich, dass sie ihn sehen möchte – was könnten sie wohl zueinander sagen? –, aber sie wird erst Ende des Monats zu Hause erwartet, und bis dahin wird er mit Héloïse in Bellême und danach in ihrer neuen Wohnung in der Rue des Ecouffes sein.
    Und danach? Was dann? Der Friedhof hat ihm etwas gestohlen, eine Vitalität, die er wiederherstellen muss, ehe er weitermachen kann. Er sollte es eine Zeitlang den Toten nachtun; oder besser noch den Samen, die so lange schlafend und ungestört in der Erde des Friedhofs lagen. Und wenn er dann bereit ist – und wenn ihm die ministeriellen Livres und Louisdor, die er eingesteckt hat, ausgegangen sind –, könnte er seinen alten Lehrer Perronet aufsuchen und nach etwas Anständigem fragen, etwas Kleinem, etwas, bei dem nicht Leute über ihn verfügen, die er nicht respektiert und die ihn nicht respektieren …
    Er wift einen Blick auf die Tür des Ministerbüros. Sonderbar, wie unähnlich geschlossene Türen einander sind, dass sie auf ihre Weise so ausdrucksvoll sind wie menschliche Rücken. Diese hier sagt ihm, dass sie, und säße er bis ans Ende der Zeit hier, nicht aufgehen wird, es sei denn, er öffnet sie selbst. Er steht auf, schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr, klemmt sich seinen Hut unter einen Arm und den Bericht unter den anderen, geht zu der Tür, klopft zweimal, lauscht, greift dann nach dem kalten, gebogenen Messing der Klinken. Im Zimmer ist niemand. Natürlich ist niemand da. Der Schreibtisch ist da, der große Schreibtisch, aber es liegen keine Papiere darauf, keine Makronenkrümel, und es ist kein Minister da. War in den vergangenen Wochen überhaupt jemand da? In den vergangenen Monaten? Er legt den Bericht ordentlich mitten auf den Schreibtisch, schließt die Tür, geht durch das Vorzimmer in den Korridor, biegt ab, geht eine Treppe hinunter, geht einen zweiten Korridor entlang, steigt weitere Stufen hinunter und betritt einen weiteren breiten, von Türen gesäumten und trübe erleuchteten Gang, als ihm aufgeht, dass er genau demselben Weg folgt wie im vorigen Herbst, dass er alle seine damaligen Verwirrungen nachvollzogen hat, sich irgendwie genau daran erinnert, wie er sich damals verlaufen hat. Hinter dieser Tür haben die polnischen Herren Karten gespielt. Durch diese hat er gesehen, wie man die Frau trug, als wäre sie eine Art Boot. Und da ist die eng gewundene Dienstbotentreppe bis hinunter in den Raum, wo er vor einem Jahr Soldaten, Wäscherinnen und Jungen in blauer Livree antraf. Heute ist er abgesehen von zwei kleinen, auf einer Bank schlafenden Hunden allein.
    Er öffnet die Tür zu dem Saal mit den Zitronenbäumen. Auch die Bäume sind woanders. Ein paar leere Tonkübel (jeder so groß, dass sich ein Mensch darin verstecken könnte), etwas aufgerolltes Isoliermaterial, eine Reihe Rechen, Hacken und Spaten, die an Haken an einer Wand hängen … Er geht hinüber zum Fenster, öffnet gewaltsam den verzogenen Flügel, klettert auf das Sims, auf das Wasserfass und springt hinunter.
    Hinter ihm im Schloss schlagen keine Uhren – die Stunde ist noch nicht ganz voll –, aber der Pfad bietet sich genau wie vor einem Jahr dar, führt ihn zu der Laube, zu der Bank mit dem steinernen Cupido darüber. Er setzt sich. Warum auch nicht? Es ist fast warm, und er rechnet nicht damit, das Schloss von Versailles häufiger aufzusuchen. Der Schatten des Cupidos fällt über seine Knie. Er schließt die Augen, atmet tief, wird kurz von einem Gefühl – einem ganz und gar überzeugenden Gefühl – der Ewigkeit des Augenblicks gestreift. Schläft er? Kleine Vögel kommen, um ihn zu wecken. Sie scharen sich um seine Füße, aber er hat nichts, womit er sie füttern könnte. Sie kommen immer näher, machen den Eindruck, als würden sie gleich auf seine Hände hüpfen; dann, bei dem dumpfen Geräusch, mit dem jemand in schweren Stiefeln den Pfad entlanggerannt

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