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Friedo Behuetun 02 - Dunkles

Friedo Behuetun 02 - Dunkles

Titel: Friedo Behuetun 02 - Dunkles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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braucht.
    Ein Kind, das schon die ganze Zeit aufgedreht zwischen den Tischen herumgerannt war und förmlich danach schrie, hinzuknallen, hatte es jetzt endlich auch geschafft. Die Knie waren offen und das Geplärre groß. Und die Erwachsenen? Achgodderla, Auweherla, Ohweierla, Allmächdnahisdesschlimm! Statt dem Rotzlöffel einfach einmal klar zu machen, dass er hier erstens nicht so rumzupesen und zweitens nicht so rumzuplärren hatte.
    Was war das? Klopfte da nicht schon wieder etwas an? War das nicht das Kind von unten, von der Straße, mit dem Dreirad und dem komischen Geräusch? Nichts drang an Behütuns heran, er war wie in Watte.
    Nein, meine Laune ist wirklich nicht die beste, holte sich Behütuns aus der Stinkstiefelwelt zurück. Und änderte sofort sein Urteil. Das arme Kind! Wie gut, dass es sich austoben kann ohne Zwang, dass die Erwachsenen es trösten, wenn etwas passiert, dass sie Anteil nehmen! Wie gut und schön für das Kind, dass es sich so geborgen und aufgehoben und verstanden fühlt!
    Wenn ich jetzt aber ein Auto klaue, weil ich es für irgendetwas brauche, und mir kommt etwas dazwischen, so etwas wie das Mädchen, dann kann ich ja nicht das tun, was ich damitvorhatte, für was ich also das Auto eigentlich gebraucht hätte! Dann bin ich ja mit meinem Plan wieder bei null. Unter null, genauer gesagt. Mal abgesehen von dem Mädchen. Also brauche ich doch wieder ein Auto, oder nicht?
    Hinter der Sandsteinwand zu seiner Linken kam am noch hellen Abendhimmel der Mond hervor und blitzte durchs Geäst. Noch später als vorgestern, noch ein bisschen mehr »a«, also an der linken Seite rund. Rechts wurde er flacher. Noch sieben, acht Tage und es wäre Neumond, also Mondnacht ohne Mond. Behütuns’ Blick blieb im Geäst verhaftet. Jetzt nahm er wahr, was vorher nicht war. Was für ihn nicht da war – ihn nicht erreichte: die Schönheit der Welt. Das Laub. Die vielen verschiedenen Grüns, die fast schwarz waren gegen das Licht des Abendhimmels. Die tanzenden Mücken. Der Buchfink, der immer wieder ansetzte mit seinem abfallenden oder Anlauf nehmenden »tschiptschiptschip«, dann aber aufhörte, sein »diduidu« nicht mehr hinten anhing. Das quietschte beinahe wie das Dreirad des Kindes vorhin. Die Amsel, die – hatte er die denn zuvor gar nicht gehört? – so laut sang. Als wäre es nur für ihn. Abendhimmelgesang von unglaublicher Klarheit. Der Mond über alledem. Das Kind, das wieder fröhlich zwischen den Tischen tobte. Das Geschirr, das aus der Küche so vertraulich klapperte. Das Lachen in der Luft. Die Menschen, die alle so friedlich waren …
    Ruhe durchströmte Behütuns. Friedfertigkeit. Endlich. Auch ein blödes Wort eigentlich, Friedfertigkeit. Als ob man jetzt fertig wäre für Frieden. Er war es, er fühlte sich doch schon mittendrin. Aber wie schön das einen überkam, dachte Behütuns. Tiefe Freude. Da gibt es eigentlich kein Entkommen. Wohlig, das war der richtige Ausdruck. Aber Ausdruck das falsche Wort, meldete sein Gehirn. Stimmt. Denn ein Drucker war ja nicht angeschlossen. Wohlig war das richtige Wort! Tief atmete Behütuns die frischer werdende Luft ein. Und sie warm wieder aus. Frisch wieder ein. Warm wieder aus … Für einen Moment schloss er die Augen.
    »Hey!«
    Irgendetwas störte.
    »Hey!«
    Der Wirt rief ihm zu. »Hey, Nachbar! Wach auf! Du schnarchst ja wie ein tasmanischer Teufel.«
    Behütuns schlug die Augen auf. Er hatte geschlafen! Sein Nachbar blickte hinter der Balkonabtrennung hervor und lachte. »Wohl wieder überarbeitet, Nachbar Behütuns-vor-den-Schrecken-der-Welt?«
    Behütuns winkte ab und nickte. War wieder in einer anderen Welt. Der Welt. Aber er hatte einen Gedanken gehabt! Einen wichtigen? Schon. Doch wo war der hin? Er war mit dem Schlaf verschwunden.
    Wie lange hatte er wohl geschlafen? Er konnte es nicht sagen. Er sah auf seinen Glaskrug, der Glaskrug war leer. Behütuns musste wieder zurück, zurück in den Schlaf. So wie manchmal, wenn man einen Gedanken oder etwas vergessen hat, das man tun wollte, und dann dorthin zurückgeht, wo man ursprünglich den Gedanken hatte. Dann kommt dieser Gedanke wieder, ganz unwillkürlich. Der hängt dort noch in der Luft. Und Einschlafschwierigkeiten kannte Behütuns nicht. Die Amsel sang auf Höhe des dritten Stocks im Geäst, es war der Gesang aus dem Traum, der Gesang aus dem Hof des Schlosses Kalchreuth. Wir haben ihn noch nicht, dachte er, schon wieder im Dämmer des Halbschlafs, aber wir kriegen ihn! Er

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