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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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käme, denn was diese betraf, hatte Herr Dr. Hurtig einiges an mir auszusetzen.
    Die Großeltern hatten auch die zweite Eroberung und Befreiung von Lyck heil überstanden, allerdings ein wenig versengt und angekokelt, denn das Haus war mit allen ihren Möbeln und Sachen über ihnen bis auf die Grundmauern abgebrannt. Sie kamen mit dem, was sie auf dem Leibe trugen, bei uns an und fanden einige Zeit später in der Hohenzollernstraße in einem Parterrezimmer eine Notunterkunft. Dort saß Großvater in einem Lehnstuhl den ganzen Tag am Fenster und schaute auf die Straße hinaus. Er rasierte sich nicht mehr und ließ sich einen struppigen Schnurrbart und einen langen Bart wachsen, der durch den Pfeifenrauch immer gelber wurde. Alle vier Wochen wusch Großmutter ihm Bart und Schnurrbart in einer Schüssel mit Boraxwasser, dann sah er für eine Weile wieder weiß aus. Im Gegensatz zu Großmutter, die agil wie eh und je blieb, war er sehr alt und unbeweglich geworden. Wenn ich ihn in dem kleinen, muffig riechenden Zimmer besuchte, dröselte er vor sich hin und sagte nur: »Ja, Jungchen, der Krieg, der Krieg...« Und eines Tages schlief er in seinem Lehnstuhl am Fenster für immer ein.
    Im ersten Kriegswinter gab es noch keine Not, und durch den zweiten kamen wir mit unseren Vorräten an Kartoffeln, Äpfeln, Gemüse und einem Faß voll Sauerkohl auch noch ganz gut durch. Aber als dann der dritte Kriegswinter kam, da wurde es schlimm. Da gab es keine Milch und kein Fett, das Brot wurde mit Kartoffeln gestreckt und war naß und schwer wie Blei, und Mutter briet Kartoffeln und Rübenschnitten auf Malzkaffee, damit die Bratkartoffeln und Rübenschnitzel ein wenig Farbe bekamen. Morgens kochte sie für Vater und mich eine Suppe aus gebranntem Gerstenmehl, das es markenfrei in blauen Paketen mit dem Aufdruck »Morgentrank« zu kaufen gab. Vater nannte es nur Morgendrank und behauptete, im Frieden hätten so was nicht einmal die Schweine gefressen, aber er löffelte vier Teller davon in sich hinein. Innerhalb der letzten zwei Jahre hatte er hundertunddreißig Pfund abgenommen und brachte mit hundertfünfundzwanzig Pfund nicht einmal mehr die Hälfte seines ursprünglichen Gewichtes auf die Waage. Den dünnen Hals im viel zu weit gewordenen Kragen entzog sein wallender Bart gnädig dem Blick, aber seine Anzüge schlotterten um seinen Körper herum, als hingen sie auf dem Gestell einer Vogelscheuche. Bis Mutter einen Schneider fand, der ihm einen seiner Anzüge änderte, vermied ich es, mich neben ihm sehen zu lassen, denn die Straßenjungen vom Sackheim schrien ihm >Knokejerüst< und nach...
    Lotte hatte vor kurzem am Städtischen Oberlyzeum ihr Abschlußexamen bestanden. Da sie keine Neigung verspürte, Hungers zu sterben, hatte sie sich um eine Stellung als Volksschullehrerin beworben und war nach wenigen Probewochen in eine der nahrhaftesten Gegenden der Provinz, ins Oberland, versetzt worden. Dort in dem Mohrunger Bezirk hießen die Dörfer nicht ohne Grund Himmelspforten und Güldenboden, Paradies und Sonnenborn, und in eben diesem Dörfchen Sonnenborn unterrichtete Lotte die Schulkinder im Lesen und Schreiben und erteilte den Kindern der Großbauern und Gutsbesitzer in der Sonnenborner Umgebung zur Aufbesserung ihrer Bezüge Klavierstunden und Gitarren-Unterricht. Dabei legte sie auf Bargeld weniger Wert als auf Naturalien, und sie hamsterte dabei so viel zusammen, daß sie uns hin und wieder ein Freßpaket mit etwas Räucherspeck, Schweineschmalz, einem Huhn oder anderen milden Gaben, die Mutter bis zu Tränen rührten, zukommen lassen konnte. Aber sie mußte vorsichtig sein, denn auf den Postämtern fanden Paketkontrollen statt, und da nur kleine Päckchen nicht kontrolliert wurden, kam das für uns bestimmte Suppenhuhn sozusagen schon in Portionen zerlegt bei uns an.
    Schon zu Anfang des Herbstes, als ich mir noch mit den Freunden Rudi und Helmut in Opa Gutbrods Garten den knurrenden Bauch mit Äpfeln, Birnen und Pflaumen füllte und gelegentlich mit ein paar Eiern, die wir aus Oma Gutbrods Hühnerstall klauten, ging es in der Wohnung von Onkel Fritz und Tante Emilie recht geheimnisvoll zu. Sie ließen niemand zu sich ein und fertigten nicht nur den Briefträger, sondern auch den Kassierer von den Stadtwerken und jeden anderen Besucher vor der Wohnungstür ab. Während Vater statt seiner schweren goldenen Uhrkette längst eine schwarze Eisenkette mit kleinen ovalen Zwischenplättchen trug, auf denen

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