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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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spucken.
    »Wird’s bald!« pfiff er mich an.
    Da ließ ich die Schlösser von dem kleineren Koffer aufspringen. Es war der Koffer mit den Äpfeln und Zuckerrüben, und die Äpfel sahen jämmerlich verschrumpelt und erfroren aus. Der andere Polizist hob den Stiefel an, es sah ganz danach aus, als hätte er große Lust, mir einen Tritt in den Hintern zu geben. Aber weil noch eine Menge Leute herumstanden, beherrschte er sich.
    »Hau schon ab, du freche Wanze!« sagte er und gab mir den Weg frei. Lotte war plötzlich verschwunden. Und während ich noch in der Halle stand und mir überlegte, ob ihr vielleicht etwas zugestoßen sei, brachte der gleiche Kerl, der mir den Nasentropfen ins Gesicht gespritzt hatte, sie angeschleppt. Sie war an der Sperre vor Hunger oder vor Kälte glatt umgekippt.
    »Scheißzeiten, Fräuleinchen«, sagte der Polizist und wollte sie in den Wartesaal bringen, wo es zwar nicht geheizt, aber doch nicht so eisig kalt wie in der Halle war. Ich lief zu ihm hin und sagte ihm, es sei meine Schwester, und ich würde sie auf den Schlitten setzen und heimfahren.
    »Dann bind sie man an, daß du sie nicht unterwegs verlierst«, sagte er und ging zur Sperre zurück.
    »He«, sagte ich zu Lotte, »was war bloß mit dir los? Du siehst ja ganz käsig aus...«
    »Ach, du kleiner Oberidiot«, stammelte sie, »in den Koffern ist unter den Kartoffeln und Äpfeln fast ein halbes Schwein drin, und Mehl, und eine Speckseite, und Butter, und noch einiges mehr...«
    Als ich das hörte, da spürte ich, wie auch mir die Knie weich wurden und wie es mir kalt durch die Därme lief.
    Und dann machten wir, daß wir wegkamen. Der Weg vom Hauptbahnhof bis zu den Hufen hinaus war endlos. Gegen neun Uhr kamen wir keuchend und frosterstarrt zu Hause an. Es gab weder Gas noch Strom. Die Eltern saßen mit Else und >Onkel Richard<, der als leitender Ingenieur von seiner Maschinen- und Waggonfabrik für unabkömmlich erklärt worden war und nicht einzurücken brauchte, beim trübseligen Schein eines Hindenburglichtes in der Küche, dem einzigen Raum, der geheizt war. Auf der Anrichte stand ein winziges Tannenbäumchen ohne Lichter, mit ein wenig Lametta und ein paar bunten Glaskugeln dürftig aufgeputzt. Vater rauchte aus der Stummelpfeife den Steinklee, den er im Herbst gesammelt hatte, und Mutter hatte aus Holundersaft einen Punsch gebraut, der mit Sacharin gesüßt war. Ein Schuß Alkohol war auch darin, denn Tante Elma hatte ihr ein Fläschchen Apothekensprit geschenkt.
    Lotte und ich konnten nur noch zähneklappernd herausbringen, daß unten im Hausflur ein halbes Schwein liege. Ich will es nicht beschwören, aber ich glaube mich daran zu erinnern, daß Mutter den großen Waschkessel schon aufs Herdfeuer setzte, ehe Vater und Onkel Richard die Treppe hinunterliefen. Und als sie die Koffer heraufschleppten, da hatte Else den Fleischwolf bereits an den Küchentisch geschraubt, und dann wuschen die Frauen die Därme aus und schabten sie sauber. Und Vater drehte abwechselnd mit Onkel Richard Innereien und Teile vom Kopffleisch durch die Messer. Und das Schweineblut, das Lotte in einer Bierflasche mitgebracht hatte, wurde angewärmt und durchgerührt. Und Mutter kehrte den Gewürzschrank aus, nach Senfkörnern und Pfeffer und Majoran. Um Mitternacht summte das Wasser im Kessel, und darin schwammen, kunstgerecht abgebunden, Blut- und Leber- und Grützwürste. Und als die Glocken von der Luisenkirche den ersten Weihnachtstag einläuteten, da ging Vater ins Wohnzimmer hinüber, um von der Spiegelkonsole die große Bilderbibel zu holen. Er legte sie auf den Tisch und schlug das zweite Kapitel des Lukas-Evangeliums auf und begann zu lesen: »Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzet würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenus Landpfleger in Syrien war...« Weiter kam er nicht. Der Duft aus dem Wurstkessel nach so vielen Hungerjahren überwältigte ihn und beraubte ihn der Stimme. Er mußte sich die Augen wischen, und Mutter nahm ihm die Bibel weg und stellte die schönen Teller von Onkel Benjamins Hochzeitsgeschenk auf den gedeckten Tisch und teilte Würste und Kesselfleisch aus.
    »Aber vorsichtig, Kinder!« warnte sie, »seid um Gotteswillen vorsichtig! Laßt euch Zeit! Eßt langsam und kaut gut, damit es euch nicht so geht wie dem alten Kommerzienrat Lüttjohann...« Denn der alte Kommerzienrat aus dem Nachbarhaus, zum Skelett

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