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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Bekömmlichkeit fürs Volk, dem sich der Zapfhahn erst später öffnet.
    Es geht exportbayerisch zu, folkloristisch-jovial, man trägt Leutseligkeit und Trachtenanzug. Auf der Bühne läuft ein Derbleckprogramm ab, in dem kommunale wie freistaatliche Zustände behutsam-grantig angeprangert werden. Samt den Zuständigen. Der jeweils Angeschossene — der Derbleckte — lacht dann heftig in die Fernsehkamera. Humorbeweise sind hilfreich zur Wiederwahl. Auch Bundesminister wissen das und weilen so zufällig in der bayerischen Hauptstadt, daß man sie einladen muß.
    Das Programm ist ausgewogen. Es proporziert mehr als es provoziert. Die Gaudi kommt dabei aber nicht zu kurz. Wenn Volksschauspieler und dialektfeste Kabarettisten in gelungener Maske, in Tonfall und Bewegung als Säulen des Freistaats auftreten und zu den unten sitzenden Originalen Blinzelkontakt aufnehmen, beutelt Gelächter die Geladenen, auch ohne Fernsehkamera.
    Für die Mitwirkenden kommt zum Spaß noch die Ehr’. Wo sonst findet man ein Publikum, derart dicht mit Spitzen besetzt? Sie werden gesehen und es liegt bei ihnen, wie nachhaltig sie sich bemerkbar machen. Nach mehrmaliger Teilnahme spreche ich aus eigener Erfahrung.
    Mit Atmosphäre, Örtlichkeiten und Ablauf vertraut, wollte ich beim Anstich 1955 noch einmal dabei sein. In einer Lieblingsrolle. Die freiwillige Abwanderung an den Schreibtisch stand endgültig fest.
    Um einen gewissen Überraschungseffekt zu erzielen, sollte mein Auftritt auch vor den anderen Mitwirkenden geheimgehalten werden. Veranstalter und Regisseur waren einverstanden.
    Auf daß die Täuschung sicher gelinge, schrieb ich einen Sketch, genauer nur einen halben. Relativ lustiges Geplänkel bis zu einer mittelmäßigen Pointe. Damit niemand enttäuscht ist, wenn’s nicht weitergeht.
    Die Halbheit, mit gebremstem Witz, gelang spielend. Die andere Hälfte, mein Auftritt mit dicken Pointen in möglichst kurzen Abständen, bereitete viel Kopfzerbrechen. Solche Texte entstehen, indem man sie immer wieder laut spricht und spielt. Die Darstellung selbst machte mir keine Sorgen. Sie war mir aus einem Programm der Kleinen Freiheit geläufig und von der Mentalität her vertraut. So konnte ich, unterstützt von einem Garderobier und einem Maskenbildner der Kammerspiele, die selber Spaß an dem Spaß bekamen, größte Sorgfalt dem gerade für diesen Auftritt entscheidend wichtigen, äußeren Erscheinungsbild widmen.
    Alle Mitwisser hielten dicht. Um nicht gesehen zu werden, fuhr ich erst eine halbe Stunde nach Beginn der feuchten Fröhlichkeit zum Bierkeller. Verhüllt huschte ich in einen Nebenraum, winkte einem Biermadl und schickte es zum Regisseur Emil Vierlinger, gleichzeitig Conférencier und allen im Haus bekannt.
    »Sag ihm einfach: Jetzt is er da. Er weiß dann scho .«
    Ein letztes Zurechtzupfen vor dem Spiegel. Vierlinger kam, sah und schüttelte den Kopf. »Wahnsinn!«
    Auf Hochdeutsch ein Lob für die Leistung des Maskenbildners. Wir gingen zur Saaltür, wo ich hinter einem Schrank wartete. Kellnerinnen kamen vorbei, lachten oder stutzten.
    »Des is doch der...«
    Und gingen weiter, die Maßkrüge zur Stoßstange gebündelt, in den Saal. Sie würden nichts verraten. Von der fernen Bühne hörte ich bruchstückweise meinen lahmen Sketch.
    »Moment !« tönte da nach der letzten müden Pointe Vierlingers Stimme über den Lautsprecher. »Ich muß das Programm leider unterbrechen...« Routiniert wartete er, bis es still wurde im Saal, und fuhr dann fort. »Völlig überraschend haben wir höchsten Besuch aus Bonn bekommen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von ihren Plätzen zu erheben, Bundespräsident Theodor Heuss betritt soeben den Saal .«
    Stuhlbeine rutschten, Köpfe drehten sich, ich zog noch einmal an der Zigarre und machte mich unter huldvollem Nicken und monarchistischem Winken auf den langen Weg.
    Es ist schön, Spalier zu gehen. Im neugierigen Wohlwollen von beiden Seiten entrollt sich der rote Teppich gewissermaßen von selbst. Viel Stirnrunzeln gab’s, ob oder ob nicht, bis sich die Spannung in Freude an der Parodie löste. Auf Beinen, die sich um Jahrzehnte älter fühlten, stapfte ich das Bühnentreppchen hinauf, lehnte mich genüßlich in den Beifall, die Spender mit Gestik und Mimik des Landesvaters bewirtend.
    Unter mir die Oberen im Staate, deren Oberster ich war. Ich sehe sie noch vor mir, Joseph Baumgartner, den stämmigen Landwirtschaftsminister der damaligen Viererkoalition; neben ihm sein

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