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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Verführers der Zwanzigerjahre, dem Menjoubärtchen, jenen zwei frivolen Gedankenstrichen über der Oberlippe, pries Douglas Fairbanks das Getränk im Vorspann und das in großer Höhe: auf der Terrasse des Schneefernerhauses unterhalb der Zugspitze, die seitdem im mittleren Westen wohl als Hausberg der Oberndorfer angesehen wird. Zur Premiere wurde ich nicht in die USA eingeflogen. Douglas Fairbanks jr. klopfte mir auf die Schulter und reiste ab.
    Jahre später gab Benny Goodman sein erstes Konzert in München. Während der Pause nahmen mich Freunde in seine Garderobe mit. Eine kleine, mütterliche Frau öffnete die Tür, sah mich an und — wie heißt es doch so schön? — sie konnte den Blick nicht von mir wenden.
    »I know you !« sagte sie und überlegte, »I’m sure I know you.« Nach einem Augenrollen schnippte sie mit den Fingern. »Christmas! Yes. Silent night! You are Lehrer Gruber, aren’t you?«
    Wie sich herausstellte, lief der Film jahrelang zu Weihnachten im US-Fernsehen. Der Popularitätsrausch des Filmstars aber blieb für mich auf dieses eine Mal beschränkt, und so ist mir der Name von Benny Goodmans Sekretärin unvergessen: Muriel Zuckerman.

    Es war eine fröhliche Zeit beim deutschen Nachkriegsfilm. Nicht nur aus meiner Kleintierperspektive. Mit geschultem Improvisationstalent tat man, was man glaubte, daß man konnte, um den Anschluß an das internationale Niveau wieder herzustellen. Technisch, finanziell, künstlerisch. Die Prozentanteile dieser drei Ingredienzen variierten.
    Es gab Beachtliches, wie Nachtwache, Duell mit dem Tod, Berliner Ballade. Es gab die treuherzige Verwechslung von Gehalt mit Breite — im neuen Breitwandformat, einer technischen Revolution ohne erkennbare künstlerische Folgen. Format und Format sind eben zweierlei. Der deutsche Drang zur Tiefe lebte auf, die Problemsuche in Trümmern, das Erneuerungsgebaren. Zu manchem Seelenorgamus kam’s — Charaktertriumph im Dickicht schicksalsschwerer Entscheidungen, Großmut vor Ort, wo andere versagen würden, trotz Klavieruntermalung. Die alte Ufa stand Pate, wie gehabt, in besten Akademikerkreisen, und Franz Schafheitlin spielte den Hausfreund, der eigene Begierde überwand: »Ich kann und darf nicht an mein Glück denken !«
    Das einfache Glück fehlte nicht, die wundersame Fügung unter gesunden Gemütern in Gottes herrlicher Natur. Ein herzhafter Kuß oberhalb der Baumgrenze — wer möchte ihn verwehren, wenn ferne Blasmusik aus dem Tal das Dorffest ankündigt, just der rechte Platz, die Verlobung bekanntzugeben? Mag auch der Steinbock den Kopf schütteln wie ein gehörnter Voyeur.
    Manch weißes Rößl trabte, als wär’s ein Lipizzaner; Goldkehlen trällerten im Konditoreirokoko des Jagdschlößchens, wo der fesche Rittmeister beim Kammerfensterin seine weiße Uniform zerriß. So spielt es halt, das Leben.
    Und dann — die wahre Tiefe, die Leere, das Nichts unter der verlorenen Hose. Verlorene Zeit, millionenhaft belacht.
    Endlich war der Krieg auch kulturell verloren. Auf dem Weg über die Die letzte Brücke vollzog sich die Wende zum Wunder: der deutsche Film wurde erwachsen. Eltern, Verwandte, Spielgefährten denken noch heute mit Wehmut an seine unbeschwerte Kindheit zurück. Jetzt wissen sie, was nicht in den Drehbüchern stand: Fröhliche Zeiten erkennt man an den arglosen Fehlern, aus den unfröhlichere erwachsen. Weil niemand auf die Nestbeschmutzer hört.

Zurückgeblättert

    In der Münchner Abendzeitung vom 10. Juni 1952 stand unter Ganz privat zu lesen:

    In den frühen Morgenstunden des Samstags hat sich in der »Arche Noah« der Münchner Kabarettist Oliver Hassencamp an einem Käsebrot einen Backenzahn ausgebissen.

    Kommentar:
    Man war damals für den Verlust von Privateigentum noch so trainiert, daß man sich später nur schwer daran zurückerinnern kann. An meinem Backenzahn hatte wohl der Kollege von der Zeit hauptsächlich genagt. Die jahrelange Überforderung mit hartem Kommisbrot kann als ausschlaggebend angenommen werden. Der Käse in der Arche Noha jedenfalls war 1952 längst wieder von friedensmäßiger Qualität. Das Lokal, damals ein beliebter Schwabinger Treffpunkt, befand sich auf einem Trümmergrundstück Ecke Leopold/Martiusstraße in einer alten Militärbaracke, wo der Boden beim Tanzen federte, nicht nur weil die Drei-Mann-Kapelle sehr heiße Musik produzierte.
    Betrieben wurde der Laden von einem bühnenflüchtigen Schauspieler. Knut Benecke hieß er — wir hatten zusammen im

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