Frühstück mit Kängurus
Sabbers ergießt sich auf meinen Schoß, dann fällt mein Kopf wieder nach hinten, und ich lade mich geräuschvoll auf wie ein KloSpülkasten. Dazu - ich kann nicht anders - schnarche ich lautstark wie eine Trickfilmfigur und stoße aus gummiartig flappenden Lippen ausgiebig Dampf aus. Lange Phasen bleibe ich unnatürlich ruhig, sodass die Zuschauer sich besorgte Blicke zuwerfen und über mich beugen, dann versteife ich mich dramatisch und beginne nach einer schier endlosen quälenden Pause mit dem ganzen Körper zu zucken und zu zappeln, als läge ich auf dem elektrischen Stuhl, kurz nachdem der Schalter umgelegt worden ist. Zum Schluss kreische ich ein-, zweimal gellend und tuntig und wache auf. Nur um festzustellen, dass in einem Umkreis von einhundertundfünfzig Metern alles menschliche Treiben zum Erliegen gekommen ist und sich sämtliche Kinder unter acht an die Rocksäume ihrer Mütter klammern. Es ist ein schweres Los.
Ich habe nie erfahren, wie lange ich damals in dem Auto geschlafen habe, aber kurz war es nicht. Ich weiß nur, dass ein bleiernes Schweigen in der Luft hing, als ich wieder zu mir kam - eben die Art Schweigen, das Menschen überkommt, die in ihrer Heimatstadt einen zusammengesackten, zuckenden Haufen von einer Sehenswürdigkeit zur anderen karren und er sie keines Blickes würdigt.
Einen Moment v ö llig unsicher, wer diese Leute waren, glotzte ich in die Runde, r ä usperte mich und hievte mich in eine aufrechtere Haltung.
» Wir haben gedacht, dass Sie vielleicht ein wenig zu Mittag essen wollen « , sagte mein Stadtf ü hrer leise, als er sah, dass ich f ü rs Erste meine dringenden Ambitionen aufgegeben hatte, seinen Wagen mit Spucke zu ü berschwemmen.
» Das w ä re sehr sch ö n « , erwiderte ich mit d ü nnem, dem ü tigem Stimmchen und entdeckte zugleich mit einem mir vertrauten inneren Entsetzen, dass sich, w ä hrend ich geschlummert hatte, offenbar eine Vierhundertpfundfliege ü ber mir erbrochen hatte. In dem Versuch, die Aufmerksamkeit von dem unnat ü rlich feuchten Glanz auf mir abzulenken und gleichzeitig mein Interesse an der Stadtrundfahrt wieder kundzutun, f ü gte ich fr ö hlicher hinzu: » Ist das immer noch die Neutral Bay? «
Ich vernahm einen unwillk ü rlichen kurzen Japslaut, wie er einem entf ä hrt, wenn ein Getr ä nk den falschen Weg nimmt, und dann mit einer gewissen gezwungenen Artikuliertheit: » Nein, das ist Dover Heights. In Neutral Bay waren wir - « Eine Sekunde Pause, damit mir die Bedeutung dieser Aussage auch ganz klar war: » Vor einer ganzen Weile. «
»Aha.« Ich machte ein ernstes Gesicht, als versuchte ich herauszufinden, was in der Zwischenzeit passiert war.
»Das heißt, vor einer ziemlich langen Weile.«
»Aha.«
Den Rest des Weges bis zum Lunch legten wir schweigend zurück. Der Nachmittag verlief netter. Wir speisten in einem beliebten Fischlokal am Kai in Watsons Bay und betrachteten dann von den hohen, gischtgepeitschten Klippen über der Hafeneinfahrt den Pazifik. Auf dem Heimweg erwischten wir immer wieder einen Blick auf den fraglos schönsten Hafen der Welt - blaues Wasser, dahergleitende Segelboote, in der Ferne den stählernen Bogen der Harbour Bridge und das fröhlich daneben hockende Opernhaus. Aber ich hatte natürlich kaum was von Sydney mitgekriegt und musste früh am nächsten Morgen weiter nach Melbourne.
Wie erpicht ich darauf war, nun mehr zu sehen, können Sie sich leicht vorstellen. Und da offenbar alle Sydneysiders, wie sie drolligerweise genannt werden, das unstillbare Verlangen haben, Besuchern ihre Stadt vorzuführen, hatte ich wieder ein freundliches Angebot, diesmal von einer Journalistin des Sydney Morning Herald, Deirdre Macken, einer hellwachen, fröhlichen Dame um die vierzig. Sie holte mich zusammen mit dem jungen Fotografen Glenn Hunt im Hotel ab, und wir liefen zu Fuß zum Museum of Sydney, einer modisch schicken, neuen Einrichtung, die es schafft, interessant und lehrreich auszusehen, ohne es zu sein. Man starrt auf raffiniert schlecht beleuchtete Exponate - eine Kiste mit Gegenständen von Einwanderern, ein Zimmer, vollgekleistert mit Seiten aus beliebten Illustrierten der Fünfzigerjahre -, weiß aber eigentlich nie, was man daraus schließen soll. Doch wir tranken einen sehr leckeren Milchkaffee im Museumscafe, wo Deirdre uns ihre Pläne für unser umfangreiches Tagesprogramm darlegte.
Als Erstes wollten wir zum Circular Quay spazieren und mit der Fähre durch den Hafen zum Taronga Zoo-Pier
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